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Der Zigarettenqualm hat ihn verraten. Hinter dieser irritierenden „FAZ“-Anzeige versteckt sich Helmut Schmidt. Den Altkanzler selber sieht man fast gar nicht.

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Medien und Werbung: Der Erfolgs-Code

Nullen, Einsen, Rauchschwaden: Zeitungs- und Zeitschriftenwerbung in eigener Sache treibt bunte Blüten. Dass dabei nicht immer die besten Kampagnen herauskommen, hat gerade erst der "Spiegel" bewiesen.

Kaum hatte er die Wahl zum Bundespräsidenten verloren, saß Joachim Gauck vor dem Schloss Bellevue und grillte. Er war alleine und las nebenbei Zeitung. Die hielt er weit aufgeschlagen vor sein Gesicht, so dass ein vorbeieilender Passant ihn nicht erkennen konnte. In dieser Pose verharrend, ließ Joachim Gauck sich im Sommer 2010 für eine Anzeigenreihe der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ fotografieren. „Dahinter steckt immer ein kluger Kopf“ heißt der Claim der Kampagne. Seit 1995 ließen sich über 80 Berühmtheiten, Politiker, Sportler und Wissenschaftler mit Zeitung vor dem Gesicht ablichten. Die von Scholz & Friends entwickelte Imagekampagne gilt auch unter Konkurrenten als herausragend. Marcel Loko, Gründer der Agentur Zum Goldenen Hirschen, nannte die „Klugen Köpfe“ einmal einen „Achttausender“ der deutschen Werbung.

Die „FAZ“-Kampagne wurde seit 1995 nur minimal verändert. Ein blauer Balken am unteren Rand der Anzeige wurde abgeschafft. Wenn sich das Produkt nicht ändert, dann ändert sich halt der Markt. Und das umso heftiger. Die gesamte Verlagsbranche befindet sich in einem Transformationsprozess. Printauflagen sinken, neue digitale Verbreitungswege werden erprobt. Deshalb sei der Druck, Werbung in eigener Sache zu machen, gestiegen, sagt Matthias Jahn, Präsidiumsmitglied des Art Director’s Club Deutschland. Zeitungsverlage nehmen für ihre Kampagnen von Jahr zu Jahr mehr Geld in die Hand. 2005 lagen die Ausgaben für Werbung in eigener Sache bei knapp 850 Millionen Euro, 2010 waren es bereits 1,3 Milliarden Euro. In den Kampagnen rücken immer häufiger die neuen digitalen Ausgaben in den Mittelpunkt. Verwirrung stiftete die „Neue Zürcher Zeitung“. Deren Titelseite erschien am 8. Juni diesen Jahres vollgeschrieben mit Nullen und Einsen. Die Agentur Jung von Matt/Limmat hatte sämtliche Texte in Binärcode übertragen.

Leser sollten so auf die neue Digitalstrategie des Blattes aufmerksam gemacht werden. Erstmals konnten alle Inhalte der gedruckten „NZZ“ auch auf deren Website gelesen werden. Die „Financial Times Deutschland“ widmet den neuen digitalen Verbreitungswegen, Website und Apps, einen eigenen TV-Spot. Der Clip veranschaulicht den Transformationsprozess: Aus einer gedruckten Zeitung wird erst ein Laptop und dann ein iPad gefaltet.

Nicht alle Kampagnen glücken. Ende Juni hatte „Focus Online“ das Aussehen seines Web- und App-Auftritts überarbeitet. Kurze Zeit später tauchte im Internet ein zehnminütiger Imagefilm auf. Dieser war ursprünglich für einen Mitarbeitertag gedreht und sollte Einblick in den Redaktionsalltag der Online-Plattform geben. Das kurze Video war schräg, weitgehend humorfrei und hatte den Charme eines Schulprojekts.

Die Redaktion turnte in Sportklamotten rund um die Münchner Bürogebäude. Der Höhepunkt der Peinlichkeiten war erreicht, als Chefredakteur Daniel Steil verkündete, man habe die „geilsten Zeilen“. Ein ähnliches Fiasko erlebte der „Spiegel“. Die Zeitschrift wollte sich als Marke neu erfinden. Relevanz und Qualität des Blattes sollten herausgestellt werden. Dafür wurde der Claim „Die Konferenz, vor der die Politiker zittern“ entwickelt. In einer Anzeige war Chefredakteur Georg Mascolo umringt von Kollegen zu sehen. Wenige Wochen nach seiner Veröffentlichtung wurde das Motiv wieder zurückgezogen. Eine alte Werber-Regel lautet: Eine Anzeige kann nur Erfolg haben, wenn sie glaubhaft ist.

"Die Werbung muss auf die gesamte Marke abstrahlen"

Diese „Spiegel“-Kampagne erinnerte, wenn auch ungewollt, an die Kampagne um den berühmten Ausspruch Helmut Markworts „Fakten, Fakten, Fakten“. Der Satz blieb über ein Jahrzehnt Motto des „Focus“. „Die Werbung muss auf die gesamte Marke abstrahlen, also einen positiven Effekt auf die Online-Angebote und iPad-Ausgaben haben“, sagt Matthias Spaetgens, Kreativchef bei Scholz & Friends Berlin. Eine solche Strahlkraft entwickelte Markworts Ausruf.

Bis heute ist er untrennbar mit der Münchner Zeitschrift verbunden. Im August soll nun eine neue Markenkampagne starten. Ihr Claim: „Das Entscheidende im Focus“. Konkret wolle man das Profil von „Focus“ weiter schärfen, sagt Pea Schubert. Sie verantwortet die Markenkommunikation des Blattes. Wie bereits die „Spiegel“-Kampagne soll nun auch die Anzeigenreihe des „Focus“ die Relevanz der eigenen Inhalte betonen. Dem liegt ein gemeinsames Problem zugrunde, sagt Matthias Jahn: „Alles steht sofort im Netz, wird getwittert oder gepostet. Das heißt für ein Medium Imagewerbung pur, um als präferierte Quelle den ,Newsstream‘ zu erobern.“

Thomas Krenn hingegen kommt gleich zur Sache. Der IT-Unternehmer soll für Leser-Typen stehen, die „zupacken“ und wirbt damit ab August für das Münchner Magazin „Focus“.
Thomas Krenn hingegen kommt gleich zur Sache. Der IT-Unternehmer soll für Leser-Typen stehen, die „zupacken“ und wirbt damit ab August für das Münchner Magazin „Focus“.

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In den Anzeigen werben Menschen für den „Focus“, die Außergewöhnliches geleistet haben. Einer von ihnen ist Thomas Krenn. Er schraubte früher Autos zusammen und baute dann „erfolgreich eine eigene IT-Firma“ auf, so steht es in einer Mitteilung zu der Kampagne. Die Menschen aus den Anzeigen seien wie die Leser Typen, die „zupacken“. Das Wort fällt häufig, rund um die neue Markenkampagne. Gemeint ist, „Focus“-Leser bekommen ihre Nachrichten auf wenigen Seiten komprimiert. „Die wesentlichen Dinge.“ Lange Reportagen gibt es nicht. Ob die neue „Focus“-Kampagne stilprägend sein wird, wie es die „Klugen Köpfe“ der „FAZ“ waren, bleibt abzuwarten. Das sei auch nicht entscheidend, heißt es aus dem Verlag, wichtiger sei der Erfolg.

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