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Amy Winehouse

© AFP

Medienhype: Promi-Faktor Drogentod

Pete Doherty hat seinen Entzug hinter sich und der Boulevard einen neuen Liebling: Sängerin Amy Winehouse. Die 24-jährige Soul-Entdeckung aus England wird nach Meinung der Presse das nächste Opfer der Drogenspirale sein. Auf einer Internetseite wird sogar schon auf ihren Todestag gewettet. Was fasziniert an dem Thema so?

Zuerst schien es harmlos - Amy Winehouse, die Frau mit der Power-Stimme und den tollen Songs, liebt das wilde Leben. Treibt sich auf Parties rum, und gibt am Tresen ab und zu Vollgas. Typisches Musikerleben eben. Doch irgendwann war es nicht mehr die Musik, die ihr Aufmerksamkeit verschaffte, sondern ihre Skandale.

Immer häufiger interessiert sich die Öffentlichkeit mehr dafür, dass Musiker Drogen nehmen und aus der Reihe tanzen, als für ihre eigentliche Tätigkeit. Paradebeispiele sind die Possen um Pete Doherty und Kate Moss. Über Wochen beschäftigten wahlweise deren Drogenkonsum, ihre Beziehung und die daraus resultierenden beruflichen Konsequenzen die Presse. In dieser Geschichte war noch eine Menge mehr drin als pure Prominenz. Eine verführte Schönheit. Liebe. Ein gemeinsamer Kampf gegen eine Bedrohung von außen, in Form von Drogen. Und ein Neuanfang.

Wie bei Amy Winehouse, bei der regelrecht dokumentiert wird, in welchem Zustand sie sich momentan befindet. Doch die Berichte über die Soul-Sängerin sind schon einen Schritt weiter. Der vorläufige Höhepunkt ist ein im Internet kursierendes, von der englischen Boulevard-Zeitung "TheSun" in Umlauf gebrachtes Amateurvideo, das Amy angeblich beim Rauchen von Crack zeigt. Der Tiefpunkt des Absturzes. Ungeschminkt und beim Einkaufen, ihre Auflösung und die Figur als Beweis für ihre Drogensucht und den Verfall.

Tippen, wann Amy Winehouse stirbt

Unter whenwillamywinehousedie.com können die Besucher gar tippen, wann die 24-Jährige das Zeitliche segnen wird. Damit kombiniert, können Beileidsbekundungen abgegeben werden. Die Berichte über ihre Drogenkarriere haben dazu geführt, dass bereits über 14.000 Personen glauben, sie könnten das Todesdatum der Sängerin vorhersagen. Wer richtig liegt, wird mit einem iPod belohnt. Das zeigt: Die Sängerin ist inzwischen auf dieses Thema reduziert worden. Würde sie ein neues Album herausbringen, die Hauptstory, der Drogenkonsum, wäre nur zeitweise verdrängt.

Der neueste Auswuchs des Voyeur-Prinzips wird momentan in den USA praktiziert. "Celebrity Rehab" heißt die neue Realityshow auf dem Kabelsender VH1. Anstatt wie bislang vor der Tür der Entzugsanstalt zu warten, bis der frisch geläuterte Promi wieder heraustritt, begleiten die Kameras eine ganze Stange von B-Promis bei ihrem Kampf gegen die Sucht. So auch die Schauspieler Daniel Baldwin, ex-Stallone-Ehefrau Brigitte Nielsen oder Jeff Conaway. Die nutzen ihren Kampf gegen die Drogen und "Celebrity Rehab" als Bühne für die Selbstvermarktung. Eine Art Big Brother, kombiniert mit Promi-Faktor, Leiden und Happy End. Damit ist eine der letzten Pausen der öffentlichen Wahrnehmung und letzten Lücken der Berichterstattung überbrückt.

Für die Medien und das Publikum scheint das interessant zu sein, mehr noch als der Ursprung ihrer Bekanntheit. Doch Musiker schreiben ihre Platten im Stillen. Sie werden produziert, auf Hochglanz poliert und erst dann als Produkt öffentlich gemacht. Das ist realitätsfern, denn obwohl jeder danach strebt, ist es nicht normal, perfekt zu sein. Die Drogenstory macht Prominente wieder menschlich, holt sie in die Reichweite des Publikums zurück. Das fühlt sich in das Privatleben ihres Stars eingebunden, scheinbar wissend um dessen Probleme. Und es zeigt: Auch Stars sind fehlbar.

Der Tod als Prozess

In der Drogen-Experimentierphase, den 1960er und 70er Jahren, war die öffentliche Aufmerksamkeit begrenzt. Aber nicht nur wegen der kleineren Zahl an Medien und deren Möglichkeiten der Berichterstattung. Es wusste einfach niemand, wie all die Drogen oder Medikamente über lange Zeit wirken. Wenn ein Prominenter starb, war es ein Schock, ein plötzliches Ereignis. Jedes Kind weiß heute: Drogen sind gefährlich und können zum Tod führen. Bei Prominenten wird es zu einem Prozess, den die Medien für die Öffentlichkeit begleiten und aufbereiten. Die macht sich den Prozess zum Gesprächsthema: "Das konnte ja nicht mehr lange gut gehen", heißt es dann zum Nachbarn.

Als Rechtfertigung reicht vordergründig die Nachfrage des Publikums. Doch dahinter stehen auch geschäftliche Interessen. Denn für einen Künstler gibt es keine schlechte Promotion. Wer in den Medien präsent ist, gerät in auch in den Fokus des Publikums. Der Tratsch aus dem Privatleben ist so zum Teil der Inszenierung geworden, die nächste Stufe der Vermarktung. Auch die Musikerin Amy Winehouse steht auf dieser Stufe.

Roland Peters

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