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Medien: Mord an der Familie

Warum tötete Fred Wagner seine Frau und seine vier Kinder?

Beim Amoklauf dreht einer durch und schießt in rasender Wut alles tot, was ihm vor die Mündung läuft. Doch weshalb töten Menschen ihre gesamte Familie, und das nicht aus einem Affekt heraus, sondern mit Bedacht und methodisch? Zum Beispiel der Handwerker Fred Wagner aus einem Dorf bei Halle (Sachsen-Anhalt). Minutiös schildert Kamil Taylan in seinem Film „Die Bluttat von Zwintschöna", wie Wagner vorging: Erst tötete er seine Frau mit zwei Axthieben, dann den älteren Sohn, schließlich die beiden kleineren. Am nächsten Morgen wacht er auf, kuschelt und spielt mit seiner 17 Monate alten Tochter – und erstickt sie dann.

Taylan lässt sich fast schon quälend viel Zeit mit der Antwort auf die Frage, die den gesamten Film durchzieht: warum? Der Polizist, der ihn mit geöffneten Pulsadern fand, der Verteidiger, der Staatsanwalt, der Lokaljournalist, ihre Aussagen ergeben nach und nach ein Gesamtbild, dessen Zentrum dennoch leer bleibt; sie alle kennen die Antwort nicht. Dafür entsteht zumindest eine Biografie: Wagner hat nach der „Wende" zwar nie seine Arbeit verloren, doch seit 1990 konsequent über seine Verhältnisse gelebt. Die Familie zog in immer teurere Wohnungen um und floh jedesmal rechtzeitig vor der Zwangsräumung. Wagner wollte seine Familie „dieser Schmach und Schande“ nicht länger aussetzen. Er beging, wie es im Fachjargon heißt, „erweiterten Suizid". Wagner selbst kommt im Film nicht zu Wort; zu sehen sind allein Fotos oder scheue Bilder aus dem Gerichtsaal. Auch vor Gericht hat er zu seinen Motiven geschwiegen. Dennoch erfährt man, dass er die Strafe für ungerecht hält: Seiner Meinung nach hat er lebenslänglich verdient und nicht bloß 13 Jahre wegen Totschlags. Erst der Verfasser des psychiatrischen Gutachtens liefert die Erklärung: Wagner leidet unter „narzisstischer Persönlichkeitsstruktur". Die Schuld am persönlichen Ungemach suchen und finden solche Menschen stets bei anderen. Als sich die Lage zuspitzte, entstand ein scheinbar auswegloses „Todesdreieck", das zur Bluttat führte.

Ganz bewusst wurden für die dreiteilige ARD-Reihe „Familientragödien“ Fälle „aus der Nachbarschaft" ausgewählt: Die Geschichten sollen gesellschaftliche Zustände spiegeln. Meist sind es eher kleine Anlässe, die schließlich zur großen Tragödie führen. Am 21. Juli zeigt das Erste den Film „Die Rache von Uelzen": Eine Frau wehrt sich endlich gegen die Misshandlungen ihres Mannes und bringt ihn um. Am 24. Juli folgt „Die Hinrichtung von Wilhelmsburg": Ein Mann tötet in Hamburg eine Frau und ihre Töchter mit 19 Schüssen. Auch dieses vermeintliche Zufallsverbrechen entpuppt sich als familiäre Tragödie.

„Familientragödien“: ARD, 21 Uhr 45

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