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Medien: Nach dem Tsunami ist vor dem Hurrikan

In seiner „Italienischen Reise“ beschreibt Goethe die Postkutschenfahrt über den Brenner noch als schwindelerregendes Abenteuer. Wenn wir heute ein Hochgebirge überqueren, merken wir es vielleicht nur an unserer Geldbörse.

In seiner „Italienischen Reise“ beschreibt Goethe die Postkutschenfahrt über den Brenner noch als schwindelerregendes Abenteuer. Wenn wir heute ein Hochgebirge überqueren, merken wir es vielleicht nur an unserer Geldbörse. Mautgebühren werden fällig für endlose Tunnelschluchten und abenteuerlich an den Fels geschmiegte Hochbahnen. Einmal über die Alpen dauert mit dem Pkw eine Stunde. Aber Feature-Autorin Sibylle Tammin ist zu Fuß über das schroffe Gebirge gegangen. „Aufsteigende Gefühle anlässlich der Überquerung der Alpen“ heißt ihr Reisebericht. Wie der Titel schon verrät, geht es um starke Emotionen, die so eine Passage weckt. Um Erfahrungen von Stille und Einsamkeit. Um die Überwindung von Grenzen und um Grenzen, die unüberwindlich sind. Um schmerzende Glieder und ein Herz, das in der Höhe plötzlich jubilieren lernt (Kulturradio, 30. August, 22 Uhr 04, UKW 92,4 MHz).

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Friedrich Kittler ist Medientheoretiker an der Berliner Humboldt-Universität. Ein Mann, der mit seinen Thesen schon ein bisschen legendär geworden ist. Kittler vertritt äußerst provozierende Ansichten über die moderne Technik. Nicht der Mensch schafft sich die Technik, die er haben will, sondern die Technik schafft sich einen Menschen, den sie gebrauchen kann. Mithin ist der Computer das eigentliche Subjekt unserer aktuellen Weltgeschichte. Von Kittlers Radikalität fühlen sich auch viele zeitgenössische Künstler angezogen. Kein Wunder, dass der Meister nun seinerseits über die Kunst nachdenkt. „Ekeltheater oder Ephebentanz“ heißt ein Radiogespräch, in dem Kittler über Glanz und Elend des modernen Theaters sinniert (Kulturradio, 31. August, 19 Uhr 04)

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Ins historische Preußen führt Tom Wolfs amüsanter Radiokrimi „Königsblau“. Eben hat der Franzose Honoré Langustier seinen Dienst als Leibkoch des Königs angetreten, da wird er schon zum polizeilichen Chefermittler gemacht. Ein Adjutant Friedrich II. ist im Wald bei Charlottenburg ermordet worden. Langustier war Ohrenzeuge des Verbrechens. Mit Kombinationsgabe und diesem typisch französischen Charme, der überall Türen öffnet, kommt der Küchenmeister einer staatsgefährdenden Verschwörung auf die Spur (Deutschlandfunk, 2. September, 0 Uhr 05, UKW 97,7 MHz).

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Die großen apokalyptischen Bilder werden heute von den Klimaforschern geliefert. Aufheizung der Erdatmosphäre, Verschwinden der Gletscher, Wetterkatastrophen von Hurrikan bis Tsunami. „Der große Luftozean“ heißt eine von Autor Harald Brandt veranstaltete Lange Radionacht, die sich den mehr oder weniger düsteren Szenarios über die Zukunft des Erdklimas widmet. Es geht um Energie- und Wasserkrisen, um den Zusammenbruch urbaner Strukturen, sogar um die Möglichkeit des Verschwindens menschlicher Zivilisation, wie wir sie heute kennen. Optimisten sind rar, wenn von der Zukunft des Klimas die Rede ist. Seit Beginn der industriellen Revolution, so ein deutscher Klimaforscher, haben wir durch forcierte Kohlendioxidemission einen Leitparameter des Planeten verändert. Erdgeschichtlich gesehen hatten derartige Veränderungen stets katastrophale Folgen (Deutschlandfunk, 3. September, ab 0 Uhr 05).

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Eines der dramatischsten Phänomene im politischen Betrieb ist der Rücktritt. Ein Mensch, der sich eben noch im Glanz seiner Macht sonnte, muss von der Bühne abtreten. Selten geschieht das freiwillig und mit reinem Herzen, meist wird irgendwo in der Kulisse mit Dolchen gefingert. Die Autorinnen Helgard und Heike Haug haben ein Feature über Rücktrittsdramaturgien in der Politik gemacht. „Miles and more“ beschäftigt sich mit Mustern und Ritualen, die beim Abgang eines Großpolitikers immer wieder zu entdecken sind. Bürokratische Pannen, die im Medienfeuer zu Skandalen aufgekocht werden. Öffentlicher Rachedurst und die stets und überall auftauchenden Brutus-Figuren. Die Mediendemokratie ist eine Theaterveranstaltung, die sich auf einen Kern erprobter Inszenierungsideen stützt, heißt die These (Deutschlandradio Kultur, 4. September, 0 Uhr 05, UKW 89,6 MHz).

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