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Kassen-Magnet. Nur: Wie übersetzt man Harry Potter ins Lateinische? Foto: dpa

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Nachrichten auf Latein: „Harrio Pottero“ und die „bomba atomica“

Von wegen tote Sprache: Radio Bremen berichtet über aktuelle Ereignisse auf Latein - und macht damit nicht nur Lehrer glücklich.

Latein – eine tote Sprache? Nicht für Radio Bremen (RB). Wenn in Polen gewählt wird oder der Papst Deutschland besucht, dann berichtet die kleinste ARD-Anstalt darüber in der Sprache der alten Römer: „Electiones in Polonia” oder „Papa Germaniam visitavit”. Die normalen Hörer bekommen davon nichts mit. Aber wer im Internet die Adresse www.radiobremen.de/nachrichten/latein aufruft, findet dort regelmäßig die Neuigkeiten aus aller Welt auf Latein: zum Lesen, zum Anhören und zum Runterladen.

Seit zehn Jahren bietet der Sender diesen ziemlich einzigartigen Service. Vergleichbares gibt es nach Angaben von RB noch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Finnland und bei Radio Vatikan, allerdings nur zu Kirchenthemen.

Anfangs stellte RB lediglich Monatsrückblicke ins Netz. Aber seit Januar 2010 liefert der Sender zusätzlich auch kürzere Wochennachrichten. Die heißen dann „Nuntii Latini Septimanales“ und werden auch vom Sender D-Radio Wissen übernommen. Die Nachrichten lesen sich dann beispielsweise so: „Milia hominum ubique Germaniae reclamaverunt iis, qui pecuniae et potentiae quaerendis dediti mercatus nummarios perturbarent.“ Nichts verstanden? Macht nichts. Auf Mausklick erscheint die deutsche Übersetzung: „Tausende Menschen haben in ganz Deutschland gegen die Macht der Banken und die Auswüchse an den Finanzmärkten protestiert.“

Ausgewählt und zunächst auf Deutsch vorformuliert werden die Meldungen von Radioredakteur Jörg-Dieter Kogel. Er ist nicht nur Leiter des Nordwestradios (einer gemeinsamen Welle von RB und NDR), sondern besuchte früher ein Jesuiten-Gymnasium und ist noch heute des Lateinischen mächtig. Einmal im Monat trifft er sich mit teils pensionierten, teils noch aktiven Lateinlehrern und bastelt am Monatsrückblick – alles aus Liebe zu einer alten Sprache, die nicht ganz untergehen soll. Für die wöchentlichen Kurznachrichten reichen Absprachen „per Strompost“, wie Kogel E-Mails nennt.

Beim Übersetzen bemühe sich die Redaktion um möglichst eingängige Formulierungen „auch für solche Leute, die nur das Kleine Latinum haben“, sagt Kogel. Dafür müssten die Mitarbeiter manchmal ziemlich lange tüfteln.

„Bundespräsident“ auf Latein, das geht ja noch: „praesidens Germaniae“. Kein Problem ist auch die „bomba atomica“, und den Namen des bekannten Zauberers versteht sogar jedes Kind: „Harrio Pottero“. Aber wie übersetzt man „Magnetschwebebahn“? Das Team einigte sich auf „tramen magnetice libratum“. Beim „Euro-Rettungsschirm“ dagegen verzichten die Bremer auf eine griffige Übersetzung und verwenden lieber eine Umschreibung, die auf Deutsch zum Beispiel so klingt: „Bundestag und Bundesrat haben eine Aufstockung der Hilfe für jene europäischen Staaten beschlossen, die vom Bankrott bedroht sind.“

Möglichst einmal pro Monat stellt Radio Bremen inzwischen auch einen Nachrichtenfilm mit lateinischem Text ins Internet, etwa wenn ein Bremer Frachter von Piraten entführt wurde. Lob für ihre Arbeit erhalte die Redaktion aus aller Welt – oft auf Latein. Das zeige den Machern, dass sie eine Marktlücke gefüllt haben. Besonders erfreut seien Lateinlehrer, die das Material für ihren Unterricht verwenden würden. Mittlerweile steuern Lateinschüler aus Bremerhaven die „Nuntii Liberorum“ bei: lateinische Kindernachrichten – nicht nur über berühmte Models, sondern auch über hungernde Kinder in Afrika. Ganz schön aktuell, diese tote Sprache. Eckhard Stengel

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