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Medien: „Napoleon“ siegt, RTL fliegt

Die Fernsehsender wollen das Publikum zu Beginn des Jahres beeindrucken

Ein Freudenschrei in Mainz: „Vive Napoleon!“ Das ZDF war am Dienstag außer sich vor Freude über die beinahe neun Millionen Zuschauer, die die Premiere des Vierteilers am Montagabend eingeschaltet hatten. Programmdirektor Thomas Bellut sagte, „diese Resonanz hat alle unsere Erwartungen weit übertroffen“. Tatsächlich hatte man im Sender zum Auftakt auf sechs Millionen Zuschauer plus x gehofft. Als besonders erfreulich bewertete Bellut den Anteil der Zuschauer in der Altersgruppe der 14- bis 49-Jährigen, immerhin 3,01 Millionen. Das ZDF leidet sehr unter dem Altersdurchschnitt seines Publikums von 58 Jahren. Nur die „Kukident-Brigaden“ der Dritten Programme sind im Durchschnitt noch älter. Warum „Napoleon“ an einem Montagabend so überaus viele Zuschauer versammeln konnte, auch dafür hatte der verantwortliche ZDF-Redakteur Claus Belling eine Erklärung parat: „Der Erfolg zeigt, dass die Qualität des großens Erzählens eine besondere Stärke des ZDF bleibt.“ Die weiteren Teile von „Napoleon“ laufen heute, am 11. und am 13. Januar, jeweils um 20 Uhr 15. Diese Erzähl-Qualität (inklusive Publikumserfolg) will der Sender im Februar fortsetzen, wenn der Zweiteiler „Trenck – Zwei Herzen gegen die Krone“ laufen wird.

Das ZDF ist gut ins Fernsehjahr 2003 gekommen. Am Freitag konnte der Sender mit dem erstmals eingesetzten Doppel-Krimi („Der Alte“ / „SOKO Leipzig“) vor allen anderen Sendern platzieren. Auch am Sonntag dominierte das Zweite die „Prime Time“: Mit sieben Millionen Zuschauern setzte sich der Fernsehfilm „Rosamunde Pilcher: Sternschnuppen im August“ gegen starke Krimi- und Hollywood-Konkurrenz durch. In den vergangenen Monaten war das nicht das erste Mal, dass das Pilcher-Gefühlsfernsehen den problembeladenen „Tatort“ im Ersten auf den zweiten Platz verweisen konnte. Vielleicht ist etwas dran an dem Branchen-Urteil, dass so genannte „wärmere, frauenaffine Stoffe“ von den Zuschauern in den (auch gesamtgesellschaftlich) kälteren Zeiten gerne angenommen werden.

Was auf jeden Fall stimmt: Die Weihnachtstage, der Jahreswechsel und die damit verbundene Freizeit haben die Sender als Herausforderung, als Chance erkannt, vermehrte Aufmerksamkeit auf die eigenen Programme zu lenken. Zum Beispiel Pro 7, das den Steven-Spielberg-Film „Der Soldat James Ryan“ trotz Ausstrahlungsverbotes um 20 Uhr 15 eingesetzt hat; quasi als Weckruf für das verloren gegangene Publikum. Pro 7 war im Fernsehjahr 2002 der eindeutige Verlierer unter den deutschen Fernsehsendern, als der Marktanteil von acht Prozent auf sieben Prozent absackte. Da war „Der Soldat James Ryan“ offensichtlich die geeignete Attacke im Quotenkrieg: 5,54 Millionen Zuschauer bedeuteten einen Marktanteil von 17,1 Prozent – Jugendschutz hin, Bußgeld-Androhung her.

RTL schließlich tat, was dem Marktführer im deutschen Fernsehen angemessen war: Der Privatsender ließ Leonardo DiCaprio in dem Thailand- Abenteuer „The Beach“ aufs Fernsehvolk los, er zieht mit „Deutschland sucht den Superstar“ eine dicke Quotenspur. Zudem hat der Sender aus Millionen Zuschauern wieder Skisprung-Verrückte gemacht (siehe Grafik). Das ist bei nur 20 000 Menschen, die in Deutschland überhaupt etwas mit diesem Sport zu schaffen haben, eine sehr respektable Leistung. „Die Vierschanzentournee hat für uns einen grandiosen Verlauf genommen“, jubelte RTL-Informationsdirektor Hans Mahr dem Tagesspiegel zu. „Und es stellt sich immer mehr heraus, dass sich zum Jahreswechsel eine Dreieinigkeit festigt: Weihnachten feiern, den Jahreswechsel feiern und Skispringen schauen.“

Ein neuer Quotenrekord wurde wohl nur dadurch verhindert, dass das vierte und letzte Springen in Bischofshofen in diesem Jahr am Montag, einem in weiten Teilen Deutschlands normalen Arbeitstag, stattfand, 2002 dagegen an einem Sonntag. Das kann bei der nächsten Vierschanzentournee schon wieder anders sein: Zwangsspringen in der Qualifikation für die Stars wie Sven Hannawald, Finale an einem Sonntag, ein Springen im Nachtflug. Hans Mahr dreht schon an den Stellschrauben, die den Quotenerfolg der Tournee für RTL endgültig in einen Werbeerfolg drehen können. Erfolgreiches Fernsehen ist sehr oft das, was RTL daraus macht.

Die Sender sind mit Einsatz und Aufwand ins neue Fernsehjahr gestartet. So muss es nicht bleiben: Das Geld ist knapper als in den vergangenen Jahren. Auch beim ZDF, auch bei RTL.

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