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Obama-Besuch: Der O-Day

Weltbürger Barack Obama, ein Objekt medialer Begierde. Die Siegessäule ist lange vor dem Erscheinen des Senators umlagert von sehnsüchtig Wartenden."Amazing" sei die Begeisterung der Deutschen, jubelt CNN.

Von Caroline Fetscher

Dann ist er da, nach langer Spannung. Jubel im Publikum, ein Hin- und Herwerfen von „Thank you!“ zwischen den Germans und dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama aus Amerika, der seine Fans bremsen muss, damit er endlich anfangen kann zu sprechen. Hingerissen erklärt Christiane Amanpour von CNN International ihren Zuschauern in den USA, wie es an der Berliner Siegessäule aussieht: „Hier sind nicht nur Deutsche, hier sind Menschen aus allen Ländern, wie eine kleine United-Nations-Versammlung!“

Die Kameras von CNN International und BBC-World schweben, anders als die der deutschen Sender, auf einem unsichtbaren Kran noch oberhalb des Engels auf der Siegessäule und geben das Panorama auf eine Menschenmasse frei, die kaum einen Zentimeter Straße mehr sehen lässt. Auf Millionen Bildschirmen spricht er, der als Brückeningenieur reparieren soll, was zwischen Europa und Amerika kaputtgegangen ist. Er erklärt sich zum „fellow citizen of the world“, zum Mitbürger der Welt, Jubel bei den rund 200 000 Besuchern, Jubelrufe, die die Kommentatoren der Leitmedien aus Großbritannien und den USA abwechselnd mit spontaner Bewunderung, dann wieder mit Zurückhaltung begleiten.

Der Berliner Jubel ist auf allen Kanälen zu hören, je nach Tonmeister lauter oder leiser. Obama habe Berlin zurückerobert, resümiert die Kommentatorin der ARD. „Das hier kann er als Erfolg verbuchen“, ist der Schluss des CNN-Anchors, „amazing“ sei die Begeisterung der Deutschen, Europäer für diesen Kandidaten aus Übersee. Vom Ereignis offenbar ergriffen, wagt keiner der Moderatoren und Experten auf die Illusion der freien Rede hinzuweisen. Selbst Barack Obama, selbst dieser Orator liest ab. Neben dem Rednerpult sind durchscheinende Teleprompter installiert, die Obama die Worte und Sätze vorgeben.

Im Vorfeld gleicht die Stimmung des medialen Countdowns nahezu dem Warten auf die Mondlandung. Dabei spricht doch einer, der nicht einmal Präsident ist, nur einer, der es werden will. Dennoch, Obama-Watch auf allen Kanälen, zum Sehen und Hören gesendet, gedruckt und fotografiert, auf Titelseiten von Zeitungen und Titelblättern von Wochenmagazinen. Die Spannung steigt und steigt. Zeitungen entsenden Spürhunde an der Online-Leine, die stündlich, wie ein Global Positioning Satellite, Obamas Aufenthaltsorte vermelden. Alle Nachrichtensender zeigen: Obama legt Angela Merkel seine Linke auf die Schulter der grünen Jacke. Kooperation statt Konfrontation, sagt murmelnd Außenminister Frank-Walter Steinmeier.

Der Reporter von n-tv ruft, vielleicht verunsichert vom Hype: „Ist der Wirbel um den Obama-Besuch übertrieben?“ Ein Politexperte warnt vorsichtig, „er ist kein Messias“. Indes ist die Siegessäule lange vor dem Erscheinen des Wunders umlagert von sehnsüchtig Wartenden. BBC und CNN haben sich englischsprachige deutsche Interviewpartner vor die Kameras geholt, die ihnen sagen, was „Germans“ sich wirklich wünschen: Ein Amerika, das sie lieben können, ein friedfertiges, anderes Amerika, dass „der Alptraum George W. Bush endlich vorbei sein wird“. Erst später am Abend wird es Stimmen in den Nachrichten geben, die nicht den Event, sondern die Rede selbst analysieren. Da klingt alles ein wenig verhaltener. Über Berlin geht die Sonne trotzdem rotgolden unter. Caroline Fetscher

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