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Vielsagend. Die Allzweck-Clowns Joachim „Joko“ Winterscheidt (links) und Klaas Heufer-Umlauf verbinden Politik und Comedy. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

Politik-Formate auf ProSieben: Quote mit Steuergeld

Kein Bock auf Politik? Das will die Bundeszentrale für politische Bildung ändern und fördert deshalb Sendungen im Privatfernsehen, um junge Wähler zu erreichen - mit öffentlichen Mitteln.

Jahrelang unterboten die privaten Sendeanstalten gegenseitig ihr Niveau mit Trash-Formaten wie „We love Lloret“ oder „Ich bin ein Star, holt mich hier raus“. Nun will ProSieben aber eine ganze Reihe neuer Formate ins Programm nehmen, die der politischen Bildung dienen sollen – mithilfe staatlicher Unterstützung.

Die durch Steuergelder finanzierte Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) fördert derzeit verschiedene Projekte. Beispielsweise die Sendung „Ahnungslos“ mit Klaas Heufer-Umlauf und Joachim „Joko“ Winterscheidt, deren zweite Staffel gerade im September auf ProSieben lief. Die Kult-Moderatoren stellten darin Kandidaten mit versteckter Kamera politische Fragen. Etwa, wer gerade das Kanzleramt innehat, oder was die Agenda 2010 ist. 50 Euro gab es pro richtiger Antwort. „ProSieben gelingt es dadurch, politische Bildung auf unterhaltsame Weise ins Spiel zu bringen“, erklärte eine ProSieben-Sprecherin das Ziel der Sendung.

„Ahnungslos“ ist bereits das zweite Format in dem werbefinanzierten Sender, das die Bundeszentrale unterstützt. Zur Bundestagswahl 2009 wurde schon die Sendung „Sido geht wählen“ gefördert. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gab’s Geld für das Schulfernsehformat „Entscheidung im Unterricht“ im Westdeutschen Rundfunk (WDR). Zur 2013 anstehenden Bundestagswahl will die bpb weitere Formate unterstützen und ist dafür mit Produktionsfirmen im Gespräch. RTL, Marktführer bei der jüngeren Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen, hat bislang allerdings kein Interesse.

Jährlich steht der bpb ein Budget von 25 Millionen Euro zur Verfügung. Davon entfallen bis zu 900 000 Euro auf den Fachbereich „Politikferne Zielgruppe“, den es seit 2007 gibt. Nur ein Teil davon fließt in die Kooperationen mit Fernsehproduktionen. Das Budget dafür sei nicht fixiert, sondern werde von Fall zu Fall entschieden, sagte bpb-Referentin Wiebke Kohl. Gegebenenfalls werde die Förderung aus überschüssigen Haushaltsmitteln finanziert. Da die bpb nicht in die Unabhängigkeit der Rundfunkanstalten eingreifen darf, werden nur einzelne Produktionen anteilig, nicht ganze Sendeanstalten gefördert.

Warum aber fördert die bpb mit öffentlichen Geldern Formate, die im werbefinanzierten Privatfernsehen laufen? Bei der bpb laufen Sendungen wie „Ahnungslos“ unter der Kategorie „Bildungsformate“, sagte bpb-Referentin Wiebke Kohl. Teile der jungen Zielgruppe seien mit traditionellen politischen Bildungsangeboten „nicht zu erreichen“. Doch „politik- und bildungsferne junge Leute“, sähen im Vergleich zu besser ausgebildeten Altersgenossen überproportional viel fern. Deshalb setze die bpb bewusst auf die privaten Sender und Vorbilder wie Joko und Klaas. Diese eigneten sich als „Einflugschneise“, um junge Menschen mit Politik in Kontakt zu bringen, sagte Kohl.

ProSieben kommt dieses Vorhaben gelegen, denn der Senderbeirat – dessen Vorsitzender der bayerische Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) ist – hat bereits Ende 2011 ein Projekt in Auftrag gegeben, das „Formen der Vermittlung von politischen Inhalten für junge Menschen“ entwickeln soll, sagte Konzernsprecher Julian Geist dem Tagesspiegel. Ein Kernteam von vier Mitarbeitern sei mit der Entwicklung beschäftigt. Zu Konzepten will sich Geist noch nicht äußern. Die Formate würden aber bereits mit den jeweiligen Produktionsfirmen abgestimmt und sollen in den nächsten Wochen abgesegnet werden. Eine Kooperation wie mit der bpb sei „denkbar und sinnvoll“, hieß es von ProSieben. Mit dabei wird wohl auch wieder die häufiger von ProSieben beauftragte Produktionsfirma SEO Entertainment sein, die unter anderem die „Ahnungslos“-Sendung mit Joko und Klaas sowie die Show „Sido geht wählen“ produzierte.

Die Quoten für „Ahnungslos“ waren allerdings enttäuschend: Nur 660 000 Zuschauer der werberelevanten Zielgruppe schalteten im Durchschnitt um 22 Uhr 45 ein. Ein Zeichen auch für Stefan Raab, der ab 11. November mit seinem ProSieben-Polittalk „Absolute Mehrheit“ die junge Zielgruppe erreichen will. Raab weicht dem Quotenduell mit der ARD-Konkurrenz „Günther Jauch“ aus und will nun entgegen erster Planungen erst nach Jauch auf Sendung gehen.

Ob Raab, Sido & Co. junge Menschen für Politik begeistern können, muss sich noch zeigen. Die Bundeszentrale für politische Bildung sieht sich mit ihren Projekten noch „ganz am Anfang“.

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