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Quoten-Rennen: „Hier ist Bundesliga“

Der Privatsender Radio Energy will in Berlin-Brandenburg gewinnen. Ein Gespräch über Wettbewerb, Prozesse und Untergang.

Herr Liss, was unterscheidet Energy Réunion von Energy Berlin?

LISS: Der tägliche Wetterbericht. Und so manch andere regionale Besonderheit, die wir in all unseren Programmen hoffentlich immer knackig, kreativ und aktuell thematisieren. Testen Sie unsere Morgensendung, das ist ja im Radio bekanntlich die Prime Time: Energy Berlin klingt sehr nach Berlin. Die Sprache, die Themen, die Stimmung passen in diese Stadt. Und ohne dass ich schon mal da gewesen wäre, vermute ich, dass die Kollegen im Indischen Ozean eben danach klingen.

Wann gilt im Energy-Maßstab ein Sender als erfolgreich?

SEUSS: Wir sind ein rein privatwirtschaftliches, also kommerzielles Unternehmen, das sich alleine durch seine Werbeeinahmen tragen muss. Natürlich wird bei der Gesamtbetrachtung eines Senders auch die Hörerquote berücksichtigt. Erfolg bemisst sich für uns also in Einschaltquote und daraus generiertem Umsatz.

Die Radiomarke Energy ist global unterwegs. Was lässt sich daraus für den deutschen Markt lernen – und umgekehrt?

SEUSS: Jeder Markt ist anders, auch innerhalb der Bundesrepublik. Aber für gute Ideen gibt es keine Grenzen. Unser Event „Energy in the park“ ist eine skandinavische Erfindung. Unser Morningshow-Konzept haben wir in Berlin entwickelt. In Dänemark verkauft sich Radiowerbung ganz anders als im Libanon. Die Deutschen sind, ganz wie es dem Klischee entspricht, tatsächlich sehr gute Organisierer und disziplinierte, fleißige Arbeiter. Umgekehrt tut uns der unkonventionellere Ansatz, die etwas unverkrampftere Denke von außen sehr gut.

Wie stellt sich für Sie die Hörfunkszene in Berlin und Brandenburg dar?

LISS: Diese Region ist und bleibt die Bundesliga des deutschen Radiomarktes. Jeder Profi will sich hier beweisen. Die Zeiten des absurden sogenannten „Radiokriegs“ aus den 90er Jahren sind Gott sei Dank vorbei. Programmliche Qualität schlägt das Marketing-Geschrei, und bald wird auch der Letzte verstanden haben, dass man Hörer nicht allein mit Wahnsinns-Gewinnspielen langfristig für sich begeistern kann. Der Markt ist durchaus differenzierter geworden. Es gibt die beiden großen Player RTL/Spreeradio und Berliner Rundfunk/rs2/KissFM und viele kleine Sender, die wirtschaftlich wirklich kämpfen müssen. Für Berlin/Brandenburg gesprochen sind wir so ziemlich der Größte unter den Kleinen. Das ist eine gute Basis für das, was unsere Gruppe gerne weiter tun würde: nämlich mehr in diese Region investieren. Leider hat es mit den entsprechenden Lizenzen bisher nicht geklappt – obwohl wir aus unserer Sicht sehr gute Konzepte vorgelegt haben.

Was verhindert Investition und Innovation?

SEUSS:  Der Markt ist reguliert durch die gesetzlichen Vorgaben und durch die Landesmedienanstalt, die MABB. Daher müssen alle potenziellen Investitionen durch das Nadelöhr der Lizenzierung. Was auf regulatorischer Ebene Sinn macht und Gesetz ist, muss nicht unbedingt auf unternehmerischer Ebene Sinn machen. Der Markt in Berlin-Brandenburg selbst ist gut ausdifferenziert, verträgt aber sicher noch das eine oder andere Format – oder mehr Wettbewerb.

Radio Paradiso wurde vom Medienrat der MABB die Lizenz entzogen und vom Verwaltungsgericht wieder zurückgegeben. Was folgt aus dem Vorgang?

LISS: Dass es unangenehm, aber letzten Endes zielführend sein kann, sich mit der Aufsichtsbehörde von Fall zu Fall auch einmal juristisch auseinanderzusetzen.

Nun gilt im Medienstaatsvertrag Berlin-Brandenburg, dass nach der zweiten Lizenzperiode eines Senders dessen UKW-Frequenz unbedingt wieder ausgeschrieben wird. Geht das in Ordnung?

LISS: Ich finde nicht. Das ist eine künstliche Verschärfung der an sich schon knackigen Marktbedingungen. Natürlich ändern sich Gegebenheiten innerhalb von zwei Lizenzperioden, das ist ja eine lange Zeit. Aber einmal lizenziert, wird man von der MABB als Programmveranstalter ja nicht alleingelassen, sondern die Medienanstalt begleitet die Entwicklung des lizenzierten Programms. Und wenn tatsächlich etwas gegen die Lizenzauflagen laufen sollte, hat die MABB bereits während der Lizenzlaufzeit ausreichende Möglichkeiten des Eingriffs und der Korrektur. Die Laufzeit von Lizenzen, sprich der Modus der Verlängerung, ist sicher ein Punkt, an dem wir uns eine Novellierung wünschen.

Den Substanzverlust durch Kosten- und Personalabbau haben die Privatradios allein zu verantworten, oder?

SEUSS: Energy hat bis 2007 dafür die Quittung erhalten und diese schlimme Entwicklung gestoppt. Insbesondere in Berlin, aber auch an allen unseren Standorten in Deutschland haben wir in den letzten knapp drei Jahren neue Stellen in der Redaktion geschaffen und gut bezahlt besetzt. Der Gewinn an inhaltlicher und unterhalterischer Qualität ist hörbar und an Quotenerfolgen messbar. Nur wer lieber seinen Klischees nachhängt, als sich mit der Realität zu beschäftigen, kann uns Substanzlosigkeit unterstellen.

Ach ja? Bei den Privatstationen wird doch lieber voneinander geklaut als selbst kreativ zu sein.

LISS: Ach Quatsch, noch so ein Klischee. Klar höre ich auch unsere Ideen ab und zu mal beim Mitbewerber. Aber was für den einen passt, muss für das andere Programm nicht gut sein. Wie langweilig wäre es, wenn alle „Das geheimnisvolle Geräusch“ spielen würden – in zigfacher Variation.

Was muss sich in der Privatfunkszene von Berlin und Brandenburg dringend verändern?

LISS: Dass begriffen wird: Wir sitzen alle im gleichen Boot und unnötige Marketingschlachten oder das Spielchen „Wer hat den höheren Rabatt beim Werbezeitenverkauf?“ auf Dauer keinen Sinn macht, weil es dem Gesamtmarkt und damit dem Medium an sich schadet.

Rettet die Digitalisierung das Radio oder ist es dessen endgültiger Untergang?

SEUSS: Die Frage suggeriert, dass das Radio als Gattung in Gefahr sei. Das ist vollkommener Quatsch, der nicht wahrer wird, nur weil er immer wieder durchgekaut wird. Untersuchungen zeigen eindeutig, dass Radio auch und gerade bei jungen Leuten an Beliebtheit gewinnt. Es ist das beste Medium, um im mobilen Alltag zu begleiten. Es ist das beste Medium, um sich während des Internet-Surfens unterhalten zu lassen. Und es ist das Medium, das täglich am stärksten von allen Medien genutzt wird. Die Welt verändert sich, und die Digitalisierung ist eine der größten medialen Umwälzungen. Sie wird auch das Radio verändern. Aber „retten“ kann man nur etwas, das in Lebensgefahr ist. Was für das Radio nicht der Fall ist.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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