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Medien: Raus aus dem Gallier-Dorf

Wider die bipolare Weltsicht: Gérard Saint-Paul, Direktor des neuen Nachrichtenkanals France 24

Ein riesiger Eisberg ziert die Glasfassade des Bürohauses im Pariser Vorort Issy-les-Moulineaux. Die Spitze ragt aus dem Meer, doch die wahren Ausmaße sind unter der Wasseroberfläche zu erkennen. „Alles, von dem anzunehmen ist, dass Sie es nicht wissen“, ist daneben in französischer und englischer Sprache zu lesen. Hier hat der französische Nachrichtenkanal France 24 seinen Sitz, der seit einer Woche Fernsehzuschauer in aller Welt mit aktuellen Informationen aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport und Zeitgeschehen versorgt. Die globalisierte Fernsehwelt ist damit um eine Stimme reicher. Wer will, kann France 24 über Internet empfangen, und, wenn er über die entsprechenden Satelliten- oder Kabelempfangsmöglichkeiten (in Deutschland über Astra) verfügt, von CNN und BBC World zum neuen Sender zappen.

„Der Start verlief ohne Pannen“, sagt Gérard Saint-Paul, der Programmdirektor, beim Gespräch in seinem von der übrigen Redaktion durch Glaswände abgetrennten Büro. Ein paar technische Anpassungen seien notwendig gewesen, und als Nachteil empfindet er es auch, dass der Sender vorerst nur in Europa, Afrika, dem Nahen Osten und New York und Washington empfangen werden kann. 200 Millionen Zuschauer hofft man in einer ersten Etappe zu erreichen. Doch das Sendenetz werde weiter ausgebaut und schrittweise dann auch den ganzen nordamerikanischen Kontinent, Lateinamerika und Asien abdecken. „Schon jetzt können wir uns jedoch an allen wichtigen Plätzen auf Korrespondenten stützen“, berichtet Saint-Paul. Wegen des vergleichsweise bescheidenen Budgets sei es jedoch nicht überall möglich gewesen, eigene Korrespondenten zu engagieren.

Nur 80 Millionen Euro stehen France 24 im Jahr zur Verfügung, während BBC World auf 600 Millionen Euro und CNN auf 1,6 Milliarden Dollar zurückgreifen können. Für die 380 Mitarbeiter, die im Durchschnitt 30 Jahre alt sind und alle französisch und englisch perfekt sprechen, sei die Entscheidung, bei France 24 anzuheuern, eine „große Herausforderung“. Deren Reiz konnte sich auch Saint-Paul, der nach einer langen Karriere als TV-Journalist, Auslandskorrespondent, unter anderem in Deutschland und den USA, und zuletzt als Direktor des deutsch-französischen Kulturkanals Arte mit knapp 64 Jahren eigentlich vor dem Pensionsalter steht, nicht entziehen.

„Wir wollen aus dem gallischen Dorf raus“, sagt er und gibt damit eine Antwort auf die Frage, worin die „französische Sicht“ der Ereignisse bestehen könnte, die der Sender verbreiten soll. Saint-Paul nennt es einen „französisch-europäischen Blick“. Mit der Deutschen Welle würden derzeit Gespräche über eine Zusammenarbeit geführt. Man wolle sich von der Konkurrenz abheben und statt einer bipolaren Sicht – „hier die USA, dort der Rest der Welt“ – einen multilateralen Ansatz pflegen. Dies werde auch für die Berichterstattung über den kommenden Präsidentschaftswahlkampf in Frankreich gelten. Die Kandidaten würden zur Welt- oder zur Europapolitik befragt. „Die Giftpfeile, die sie gegeneinander abfeuern, interessieren Zuschauer in Bamako nicht.“

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