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Claudine wurde vergewaltigt und verkrüppelt, ihre Brüder bei lebendigem Leibe begraben. Täter Ananias bittet nun um Vergebung.

© NDR/Lukas Augustin

Ruanda-Doku "Unversöhnt": Stille Alptraumwelten

Wie kann Unaussprechliches gehört werden? Wie gelingt die Vergebung des größten Schreckens? Der Dokumentarfilm "Unversöhnt" begleitet Opfer und Täter des Genozid in Ruanda - und entdeckt in ruhigen Bildern große Gesten.

Innocent ist ein Tutsi. Sein Gesicht ist mit Narben von Machetenschlägen durchkreuzt. Er gehört zu den Opfern des Völkermords in Ruanda vor 20 Jahren. Damals machte die Hutu-Mehrheit Jagd auf die Tutsi, eine Million Menschen starben innerhalb weniger Monate. Innocent wurde von mehreren Männern entstellt. Sein Haus wurde niedergebrannt, er überlebte knapp.

„Selbst wenn du sagst: ‚Ich vergebe dir'“, sagt Innocent heute, „ist es doch fast unmöglich, wirklich Vergebung zu spüren.“ Dennoch spaziert er da jetzt mit Wellars, einem seiner Peiniger, durch sein Dorf. Die beiden teilen sich eine Milchkuh, sie üben Vergebung aus gemeinsamer Verantwortung.

Die Geschichte von Innocent und Wellars wird – neben anderen – in dem NDR-Dokumentarfilm „Unversöhnt“ erzählt. Zum 20. Jahrestag der schrecklichen Massaker besuchte ein Team um den Dokumentarfilmer Lukas Augustin Hutu und Tutsi. Da ist die Mutter, die mit ihrer aus einer Vergewaltigung entstandenen Tochter hadert. Da ist der Kindsmörder, der keine Worte findet, seine Taten für sich und andere Wirklichkeit werden zu lassen. Die Kamera ruht auf verschränkten Armen, auf gesenkten Blicken und verkniffenen Mündern.

Die Kamera suggeriert Annäherung aus der Ferne - und zeigt die Narben in der Nähe

Nur zu Beginn des Filmes werden Szenen des Schlachtens und Brandschatzens von damals auf die Körper der Überlebenden projiziert. Die Bilder wirken wie Narben, die für immer bleiben. Dann verzichtet „Unversöhnt“ fast komplett auf historische Aufnahmen. Alles, was über die Vergangenheit erzählt wird, entsteht  mit Bildern vom Heute: Die Ereignisse leben in den Augen der Täter und Opfer fort. Sie spiegeln sich im Schleifen einer Machete oder in der Axt, die in einen Baumstamm kracht. Lukas Augustin und sein Team entwerfen so mit wenigen Kamerabildern stille Alptraumwelten, die das Gesprochene, das Erinnerte ihrer Protagonisten ausbreitet.

Was entsteht, ist eine Dokumentation, die nicht erklärt oder belehrt, was damals im April 1994 in Ruanda geschah – sondern die dem Zuschauer einen Einblick in das Geflecht aus Schuld und Sühne im heutigen Ruanda verschafft. Der Dokumentarfilm „Unversöhnt“ kommt in dieser Sensibilität denen, die er begleitet, sehr nahe.

„Unversöhnt“, 75 min, läuft am Dienstag, 29. April um 0 Uhr im NDR

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