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Medien: Rückzug ins Private

Was sich Ostdeutsche von den Medien wirklich wünschen

Wenn man in einem westdeutschen Hotel den Fernseher einschaltet, findet man ARD und ZDF fast immer auf den ersten Plätzen der Fernbedienung. Im Osten ist das anders, hat Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel beobachtet. „Da kommen die öffentlich rechtlichen fast immer auf Platz fünf und sechs – hinter den Privaten.“ Kurz nach der Wende saßen ARD und ZDF noch „in der ersten Reihe“. Mittlerweile aber sind die Privatsender, insbesondere RTL, Marktführer in Ostdeutschland.

In keinem Bereich fallen die Unterschiede zwischen West und Ost so frappierend auf wie in der Mediennutzung. So haben Medienforscher herausgefunden, dass Ostdeutsche täglich etwa dreißig Minuten länger (insgesamt rund 3,5 Stunden) vor dem Fernsehgerät sitzen. Auch Radio wird im Osten zwanzig Minuten länger gehört. Politmagazine und Hintergrundsendungen aber haben genauso schlechte Karten wie überregionale Zeitungen. Gleiches gilt für „Spiegel“, „Stern“ und „Focus“: Sie fristen zwölf Jahre nach der Einheit im Osten noch immer ein Nischendasein.

Warum ist das so, fragt man sich beim MDR anlässlich einer Tagung zum zehnjährigen Jubiläum von „Fakt“. Das ARD-Politmagazin ist das einzige, das in den neuen Ländern produziert wird und hauptsächlich ostdeutsche Themen behandelt. Und trotzdem hat die Sendung im Westen bessere Einschaltquoten als da, wo sie gemacht wird. Es kann also nicht ganz stimmen, was viele Kritiker seit Jahren immer wieder sagen: Ostdeutschland komme eben in den entsprechenden Sendern nicht oft und prominent genug vor. Auch Wolfgang Donsbach vom Institut für Kommunikationswissenschaft in Dresden, glaubt nicht, dass das der Grund ist. Bei den Privatsendern, mit all ihren Shows und Hollywood-Serien, steht Ostdeutsches schließlich auch nicht im Vordergrund. Stattdessen sieht Donsbach in Ostdeutschland einen Verlust an bürgerlicher Öffentlichkeit. Während im Westen die wesentlichen gesellschaftlichen Themen in den verschiedensten Medien ausführlich diskutiert würden, spiele das im Osten so gut wie keine Rolle. Der Kommunikationswissenschaftler vermutet bei den Ostdeutschen einen „Rückzug ins Private“. Monika Zimmermann, Chefredakteurin der „Mitteldeutschen Zeitung“, pflichtet ihm bei: „Im Gegensatz zum Westen ist der große politische Streit hier einfach nicht erwünscht.“

Die öffentlich-rechtlichen Sender, obwohl formal unabhängig, werden offenbar in Ostdeutschland weitgehend als Repräsentanten eines politischen Systems angesehen, das letztlich immer noch nicht das eigene ist. Zwar benutzt man in beiden Teilen Deutschlands die gleichen Worte, verbindet damit aber zum Teil völlig unterschiedliche Vorstellungen. Demokratie heißt im Westen hauptsächlich Freiheit, im Osten ganz überwiegend Gleichheit. Da lässt sich schwer diskutieren. Und wenn man das nicht gelernt hat und sich als Verlierer der Geschichte sieht, zappt man eben rüber zur heilen Welt der Soap-Operas. Dieter Wulf

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