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Russisch-deutsche Missverständnisse: Moskauer Medien werfen ZDF "schmutzige Techniken" vor

Russische Medien werfen ZDF Bestechung von Pussy-Riot-Unterstützern vor und beziehen sich dabei auf eine Äußerung von Anna Thalbach. Doch was sie in "Roche und Böhmermann" gesagt hatte, war unmissverständlich satirisch gemeint.

Der Plan war folgender: Ein Haufen ZDF-Mitarbeiter tut so, als ob er auf Anna Thalbach einprügelt, ihr sogar ein blaues Auge verpasst, damit sie vor laufender Kamera ihre Solidarität mit den Aktivistinnen der Band Pussy Riot ausspricht. Gezeigt werden sollte der Clip am heutigen Freitagabend in der ZDF-Sendung „Aspekte“. Doch aus dem Plan ist nichts geworden, Anna Thalbach wollte den Clip nicht drehen. Und so hat sich der Mainzer Sender eine andere Antwort ausgedacht auf den Vorwurf russischer Medien, der lautet: Der öffentlich-rechtliche Sender besteche Prominente, damit sie sich positiv über Pussy Riot äußern. Und negativ über Kreml-Chef Wladimir Putin.

Am Montag hatte zunächst die Kreml-nahe Boulevardzeitung „Komsomolskaja prawda“ über die deutschen Unterstützer getitelt: „Sie kämpften für Pussy Riot. Aber nicht unentgeltlich.“ Den Bericht griff dann der russische TV-Sender Rossija 1 auf und warf dem ZDF „schmutzige Techniken“ vor.

Anlass für die Vorwürfe sind zwei Sendungen, die bereits zehn Monate zurückliegen. Als zwei der Pussy-Riot-Aktivistinnen im 17. August 2012 zu Lagerhaft verurteilt wurden, hatte „Aspekte“ einen Beitrag ausgestrahlt, in dem Prominente wie Sängerin Nina Hagen, Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und eben auch Anna Thalbach das Urteil kritisierten. Thalbach war dann später in der Sendung „Roche & Böhmermann“ im Spartenkanal ZDFkultur zu Gast, wo sie sagte, vom ZDF „sehr viel Geld“ für ihre Solidaritätsbekundung für Pussy Riot bekommen zu haben – das war, selbstverständlich, satirisch gemeint und im Gesamtkontext der Sendung eigentlich auch nicht misszuverstehen. Eigentlich. Thalbach wird mit ihrer satirischen Aussage aber nun von den russischen Medien offensichtlich als Beweislieferantin dafür genommen, dass auch die anderen Prominenten bestochen worden sein müssen.

Daniel Fiedler, Leiter der ZDF-Kulturredaktion in Berlin und des Magazins, findet die „Art und Weise der Darstellung“ in den russischen Medien und der Zeitpunkt der Veröffentlichung „überraschend“. Im Interview mit dem Berliner Korrespondenten von Rossija 1 stellte er am Montag wohl klar, dass „Aspekte“ noch nie jemanden für eine Meinungsäußerung bezahlt habe. Doch der Satz fehlte offensichtlich in dem Beitrag. Dafür hieß es, dass sich Thalbach entschuldigt habe. Allerdings nicht dafür, dass sie angeblich Geld angenommen hat, sondern schon nach der Ausstrahlung der „Roche & Böhmermann“-Sendung bei „Aspekte“, „für die dadurch entstandenen Unannehmlichkeiten“. Sie betonte damals, dass ihre Äußerung „dem allgemeinen Tenor der Talksendung entsprechend satirisch gemeint“ gewesen sei. Das wurde in dem Beitrag am Montag aber nicht erwähnt.

Warum die russischen Medien erst jetzt, zehn Monate nach der Ausstrahlung, das Thema aufgreifen, ist fraglich. Das ZDF-Studio in Moskau zeigt sich über die Beiträge sehr verwundert, ZDF und der Erste Kanal hätten einen Kooperationsvertrag, bisher liefe die Zusammenarbeit gut. Russische Medienjournalisten vermuten, dass es sich um eine Retourkutsche für den Eklat beim Merkel-Besuch in St. Petersburg Ende vergangener Woche handelt. Die Kanzlerin hatte während der Eröffnung der Bronzezeit-Ausstellung – 600 Exponate davon sind Beutekunst – erneut die Rückgabe der Kriegstrophäen angemahnt. Weil Gastgeber Wladimir Putin das nicht wollte, hatte Merkel ihre Teilnahme an der Eröffnung unmittelbar vor dem Flug nach Osten abgesagt, das Problem wurde erst bei einem persönlichen Gespräch in St. Petersburg aus dem Weg geräumt, sagte die Kanzlerin auf der gemeinsamen Pressekonferenz.

Das ZDF sieht einen Zusammenhang mit dem Film "Unsere Mütter, unsere Väter"

„Aspekte“-Redaktionsleiter Fiedler vermutet, dass es ebenfalls einen Zusammenhang geben könnte mit dem ZDF-Geschichtsdrama „Unsere Mütter, unsere Väter“. Die Zeitung „Komsomolskaja prawda“ hatte dem Mainzer Sender nach der Ausstrahlung vorgeworfen, in dem Film Lügen zu verbreiten. Der Chef des Auswärtigen Ausschusses der russischen Staatsduma unterstellte den Deutschen „Geschichtsfälschung“.

Damit nun alle Missverständnisse beseitigt werden, will sich „Aspekte“ in der Sendung am Freitag in einem kurzen Beitrag auf Russisch an die russischen Kollegen wenden: „Liebe Kollegen, Ihr handelt mit alten Witzen.“ Sollte es wieder zu Missverständnissen kommen, kann dann zumindest nicht an der Sprache liegen.

„Aspekte“, 23 Uhr, ZDF

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