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Medien: Salto Mortale

Kanzler Schröder hat die gültige Formel gefunden: Familie, sagt er, Familie sei dort, wo Kinder seien. Die Formel ist prima, weil all die Familien-Patchworks von heute hineinpassen.

Kanzler Schröder hat die gültige Formel gefunden: Familie, sagt er, Familie sei dort, wo Kinder seien. Die Formel ist prima, weil all die Familien-Patchworks von heute hineinpassen. Vielleicht hat Schröder an die eigenen Verhältnisse gedacht oder aber an die Kelly Family (1 Vater, 3 Mütter, 12 Kinder), wir freilich fühlten uns sofort an eine Artistenfamilie erinnert. Doria hieß sie, ihre Geschichte war die Geschichte der ARD-Serie „Salto Mortale“. Eine Serie mitten im Aufbruch von ’68. Wir, die klassische VaterMutterKind-Familie, haben nicht schlecht gestaunt, welch vielköpfiger Clan sich da unterm Trapez versammelte. Gustav Knuth spielte den Clan-Chef Carlo Doria. In seinem früheren Film- und Fernseh-Leben trug Knuth die Haare streng nach hinten und glatt geölt. Jetzt, als Carlo Doria. war das Öl rausgelaufen, das Haar wuchs im Nacken länger und kringelte sich dort frech. Der Zirkusdirektor führte das Familien-Regiment, poltergeistig, kumpelhaft, zuweilen mit mütterlicher Sensibilität. Musste er auch, seine Frau war längst gestorben.

Carlo Doria hielt die Bande zusammen. Was gar nicht einfach war, weder unterm Trapez noch außerhalb des Zirkusgeländes. Gerade die Kerle wie Horst Janson und Hans-Jürgen Bäumler waren mobil. Einmal, da gastierte der Zirkus in Schweden, in dem Land, das als sexuell befreite Zone galt. Die Doria-Kerle trafen zwei Schwedinnen. Alle vier hatten nichts Besseres zu tun, als sich nackig zu machen und fröhlich in die Ostsee zu rennen. Machte man das, wo im Zirkus Frauen und Freundinnen warteten? Das war unerhört und gab eine erste Ahnung davon, dass die erste Partnerin im Leben nicht die letzte Lebenspartnerin sein musste.

Erstmals ausgestrahlt wurde „Salto Mortale“ 1969, im gleichen Jahr wurde Willy Brandt zum Bundeskanzler gewählt. Auch seine Familienverhältnisse entsprachen nicht der gewohnten Norm. Die Formel VaterMutterKind galt noch. Aber mit jeder Folge „Salto Mortale“ näherte sie sich ihrer Neudefinition. Joachim Huber

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