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Alles verdächtig. Helen Dorn (Anna Loos) und ihr Kollege Gregor Georgi (Matthias Matschke, links) befragen Unternehmer Thomsen (Herbert Knaup). Foto: ZDF

© MARTIN_VALENTIN_MENKE

Samstagkrimi „Helen Dorn“: Gefriertruhenruhe im Krimifach

Der zweite Fall für „Helen Dorn“ ist ein interessantes, aber unterkühltes Stück Fernsehen. Dabei mangelt es dem Samstagkrimi nicht an Verdächtigen.

Die Zuschauer sollten sich schon mal ein Deckchen bereitlegen. Es wird kalt, sehr kalt im zweiten „Helen Dorn“-Krimi. Mia, vierjährige Tochter des Unternehmers Hans Thomsen (Herbert Knaup), verschwindet im Düsseldorfer Nobelviertel. Thomsen ist reich, beim Reichwerden mit seinen Investmentfirmen hat er Menschen ruiniert, Thomsen hat Feinde. Erste Erpresserschreiben treffen ein. Thomsen ist mächtig, weswegen sich Staatssekretärin Ricarda von Berg (Therese Hämer) einschaltet und den Fall des entführten Mädchens dem LKA zuweist. Die Kommissarin Helen Dorn (Anna Loos) und ihr Kollege Gregor Georgi (Matthias Matschke) ermitteln in alle Richtungen, die Polizei fährt auf, was an Menschen und Mitteln möglich ist. Drei Optionen: Mia ist weggelaufen, sie wurde entführt oder sie wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Was anhebt, ist eine Fahndung unter enormem Zeitdruck.

Autor Magnus Vattrodt wirft ein weites Netz aus. Da ist der Nachbar Werner Altmann (Johann Adam Oest), pädophil auffällig geworden, da ist das Investmentopfer, das Thomsen seit Jahren böse Briefe schreibt, da ist dessen undurchsichtiger Sohn, da ist Thomsens zweite Ehefrau Inga (Barbara Auer) und Stiefmutter von Mia, da ist deren Halbschwester Sarah (Jella Haase), die zusammen mit der Nachbarstochter auf Mia aufpassen sollte. Und da ist Hans Thomsen, der selber einen Verdacht hat. Er fährt nach Holland, zu Vater und Sohn de Klerk (Chiem van Houweninge und Fedja von Huet), die beide eine erhebliche Rolle in einem Geschäft spielen, das Thomsen jüngst zu seinem Vorteil und zu deren Nachteil abgewickelt hat.

Anna Loos und Matthias Matschke nutzen die Möglichkeiten nicht

Mehr Verdächtige, mehr Verdächtiges waren selten in einem Krimi. Das sichert dem Film sehr viel Bewegung und den Ermittlern viel Beweglichkeit. Anna Loos und Matthias Matschke nutzen das nicht, so wenig wie Regisseur Matti Geschonneck. „Unter Kontrolle“ wird zum Musterbeispiel schauspielerischer wie inszenatorischer Reduktion. Sparsam ist das (Mienen-)Spiel, kühl bis kalt wird ermittelt, Leichenbittermienen, funktionale Dialoge. Keiner hat viel zu sprechen, keiner viel zu zeigen. Ob in diesen Mördergruben Herzen begraben sind? Die Gefriertruhenruhe der Fahnder passt sich ein in die Kantigkeit des übrigen Personals, das sich wiederum in der farblosen Eleganz der Interieurs widerspiegelt. „Unter Kontrolle“, das kann eine Lebenshaltung sein. Regisseur Geschonneck passt auf: Er hat einen auf Kante geschliffenen Film gedreht. Die größte Überraschung und damit der Ausbruch ist die Auflösung. Ein Kai-aus-der-Kiste-Finale.

Unpathetisch, unsentimental, unprätentiös. Die erlebte Distanz zwischen den Figuren, die gefühlte Distanz der Darsteller zu ihren Figuren, die inszenierte Distanz des Films zum Publikum, das alles macht „Unter Kontrolle“ zu einem interessanten, zugleich sehr unpersönlichen Stück Fernsehen.

Vattrodt war schon Autor, Geschonneck schon Regisseur bei der „Helen Dorn“-Premiere. War vielleicht ein famoser Einfall, weil so die Sprache und die Sprechenden des neuen Krimis deutlicher, prägender formuliert werden konnten. War doch kein grandioser Einfall. Die Figuren der Dorn und des Georgi werden aus der liquiden in die erstarrte Form überführt. Schon in der zweiten Auflage wirken sie verbraucht. Das darf aber bei diesen Kapazitäten nicht sein. „Helen Dorn“ braucht in der nächsten Auflage dringend Aufschwung und Erlösung durch neuen Autor, neuen Regisseur.

Der zweite „Helen Dorn“-Fall unterläuft nicht die Erwartungen, die die Premiere bei über acht Millionen ZDF-Zuschauern geweckt hatte. Er erfüllt sie nur nicht.

„Helen Dorn: Unter Kontrolle“, ZDF, Samstag, 20 Uhr 15

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