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Medien: „Sie sieht sich als entführte Irakerin“

Al-Dschasira-Korrespondent Aktham Suliman über Susanne Osthoff, ihre Heimat und ihre Geiselnahme

Herr Suliman, am Montag hat Susanne Osthoff dem Sender Al Dschasira ihr erstes Interview gegeben, nachdem sie vor gut einer Woche aus der Geiselhaft entlassen worden war. Wie kam es zu diesem Interview?

Es war der Wunsch von Frau Osthoff, und dem kann man als Medium nur entsprechen. Sie ist auf Al Dschasira zugekommen und nicht umgekehrt. Das Gespräch fand in der Zentrale von Al Dschasira, in Doha, der Hauptstadt von Katar, statt. Wie Susanne Osthoff in Katar gelandet ist, darauf will ich nicht eingehen.

Welchen Eindruck hat Frau Osthoff auf Sie gemacht?

Frau Osthoff hat kein Hehl daraus gemacht, dass sie den Tod mit den eigenen Augen gesehen hatte. Das ist wirklich keine Erfahrung, die leicht gewesen ist. Sie war, sie ist schockiert. Wer in einer solchen Situation gewesen ist, der kann gar nicht anders reden und denken. Das heißt aber auf keinen Fall, dass man ihre Aussagen nicht ernst nehmen sollte. Die Zeit nach einer Entführung ist doch mindestens so schwierig und aufreibend wie die Geiselhaft selbst: Das Bundeskriminalamt fragt und fragt, dann der Druck, sie solle wieder nach Deutschland zurückkehren.

Das ist eine Frau, die weiß, was sie tut?

Zumindest beharrt sie auf dem, was sie tun will. Sie betrachtet sich als jemand, der in seiner Heimat Irak entführt worden ist. Wenn ein Deutscher in Berlin entführt werden sollte, dann verlässt er Deutschland auch nicht unmittelbar nach seiner Befreiung.

Um die Entführung ranken sich viele Gerüchte und Vermutungen. Ihrer Ansicht nach: Was ist da tatsächlich gelaufen?

Da konnte auch Frau Osthoff nicht sehr viel erhellen. Das war auch zu erwarten, denn wahrscheinlich weiß der am wenigsten, der am meisten betroffen ist. Es sieht aber danach aus, dass sie am Ende bei einer politischen Gruppe gelandet ist, die sie kannte oder zumindest erkannte. Diese Gruppe hat – nach Beschreibung von Frau Osthoff – die Lage sehr schnell begriffen. Das war „kein Fang“ für sie, sie musste die Frau so schnell wie möglich wieder loswerden: Sie wurde als Muslimin angesehen, als Freundin des Irak und so weiter. Die Gruppe, so sagt es Frau Osthoff, war um ihre Sicherheit besorgt.

Kalt gesagt: Da ist die falsche Frau entführt worden.

Vorneweg: Jede Entführung ist eine falsche Aktion. Die Identität der Entführten, die Appelle aus Deutschland, das hat offensichtlich seine Wirkung getan. Terrorismus ist zwar blind, befindet sich aber nicht außerhalb der Geschichte.

Frau Osthoff will wieder in den Irak, der deutsche Außenminister Steinmeier warnt, äußert Unverständnis. Verhält sich Susanne Osthoff klug und menschlich oder begibt sie sich wissentlich wieder in große Gefahr?

Das ist ja der Punkt. Jeder verhält sich richtig aus seiner Sicht. Der deutsche Außenminister hat ja die Aufgabe und die Pflicht, davor zu warnen, dass jemand in Krisengebiete einreist. Aus der Sicht von Frau Osthoff ist der Irak ihre Heimat und nicht Deutschland, zumal sie mit ihrer Familie verkracht ist. Sie würde sich in Deutschland verloren vorkommen. Susanne Osthoff sieht nicht ein, warum sie ihre Heimat aufgeben soll.

Die Gefahr im Irak betrifft nicht nur die Archäologin, sondern die Millionen Menschen, die im Irak leben. Frau Osthoff sagt, die Gefahr, durch eine Bombe umzukommen, ist viel größer als die einer Entführung. Sie scheint diese Gefahren wie ihr Schicksal zu akzeptieren. Natürlich steckt die Bundesregierung in einem Dilemma: Wenn Frau Osthoff wieder entführt werden sollte, dann muss sie wieder um die Freilassung besorgt sein.

Wie kommt ein solcher Fernsehauftritt von Susanne Osthoff in der arabischen Welt, speziell im Irak an?

Alleine, dass Susanne Osthoff ein arabisches und kein deutsches Medium gewählt hat, zeigt eine ganze Menge Respekt und den Willen zum Dialog. Was sie gesagt hat, wie sie ihre Angst geschildert hat, das hat Eindruck gemacht. Aber sie hat niemanden beleidigt. Sie hat Verständnis gezeigt, nicht im Sinne von Billigung, sondern: Trotz Lebensgefahr sehe ich die Problematik, die zu solchen Situationen führen kann. Was eben gar nicht gut ankommt in der arabischen Welt: Wenn man den Irak als gut betrachtet, wenn man als Journalist oder als Unternehmer dort sein Geld verdient, den Irak aber verurteilt, wenn man als Geisel genommen wird. Frau Osthoff sieht sich als eine entführte Irakerin, nicht nur als eine entführte Deutsche. Umso mehr missbilligen dann die arabischen Massen diese Aktionen.

Die Bundesregierung hat angekündigt, dass sie keine Projekte mehr im Irak unterstützen will, die sich mit Susanne Osthoff verbinden. Wird damit das doch positive Bild Deutschlands im Irak beschädigt?

Die Ankündigung der Bundesregierung ist mehr an die deutsche Öffentlichkeit adressiert: Wir unternehmen alles, damit die Frau zurückkehrt. Der Irak braucht jede Hilfe und zwar jenseits der Begriffe „Projekt mit Osthoff“ oder „Projekt ohne Osthoff“.

Das Gespräch führte Joachim Huber.

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