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Medien: Sing, Klon, sing

Warum einer wie Daniel bei „Deutschland sucht den Superstar“ nicht gewinnen kann

Von Joachim huber

und Frederik Hanssen

Daniel ist raus. Um 0 Uhr 29 in der Nacht zum Sonntag verlor er das Halbfinale gegen Juliette und Alexander bei der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“. Ein Schock? Ein Sieg der blonden Klonsänger über den bisexuellen Clown? Daniel Küblböck, 17 Jahre alt und im bayerischen Eggenfelden beheimatet, hatte mächtige Fürsprecher aus der Liga, in der die Schrägen, die Spaßigen, meinetwegen auch die Geschmacksspalter spielen. Thomas Gottschalk sagte der „Bild“, Daniel „könnte zwar nicht das maskuline, aber doch immerhin Gegenstück zu Verona Feldbusch werden“, Otto Waalkes bejubelte Daniels „immer so schicke Klamotten“; selbst vom dauerblonden Volksmusikanten Heino wurde im Kindergarten- Azubi „das deutsche Pendant zu Jerry Lewis“ erkannt. Das Zureden der Prominenz half beim Telefon-TED nicht. Die Mehrheit des Fernsehvolks hat sich für den Mainstream und gegen einen wie Kermit, den Frosch, entschieden.

Müssen jetzt alle, die psychedelische Sakkos tragen, Männlein und Weiblein lieben, vielleicht nicht deutscher Abstammung, nicht hellhäutig und nicht blond sind, auf ewig in den hinteren Reihen herumrutschen? Langsam. Für den RTL-Wettbewerb sind an die 10 000 Menschen gecastet worden. Da waren eine Menge blonder Deutscher dabei. Bei ähnlichen Wettbewerben sind die bunten Vögel als Sieger hervorgangen. Die Gruppen „Bro’Sis“ und „No Angels“, Gewinner der „Popstars“-Konkurrenz, sind nach allen Seiten, Farben und Abstammungen zusammengesetzt. Bei der ersten Staffel von „Big Brother“ kam Zlatko Trpkovski ins Finale. Möglich, dass im Milieu des jungen, jedenfalls professionell exaltierten Entertainments die nicht blonden, nicht heterosexuellen Nichtdeutschen größere Karrierechancen besitzen – eben als die anderen U-Klons.

Übrigens: Der Gewinner der britischen „Pop Idol“-Show ist schwul. Sind die Briten deshalb lockerer?

Wer immer die Kandidaten-Dramaturgie von „Deutschland sucht den Superstar“ bestimmt – er hat vieles, wenn nicht alles richtig gemacht. Die Erfindung des „schrägen Daniels“ hat selbst in seriösesten Kreisen der Fernsehzuschauerschaft Wellen der Emotion ausgelöst. Durch Deutschlands Familien ging bis Samstag ein Riss: Für wen bist Du, für wen stimmst Du? Natürlich, das Bisexuelle, das Unentschiedene, die schwierige Jugend, das Scheidungskind im Küblböck, der so wunderbar mit Kindern umgehen kann, hat fasziniert, hat polarisiert und provoziert.

Vorbei, aus, perdu. Über dem Küblböck- Theater haben sich die Vorhänge gesenkt. Die Daniel-ist-der-Superstar-Gemeinde ist heimatlos geworden. Der sind Juliette und Alexander furchtbar egal. Sieht man nicht in jeder durchschnittlichen deutschen Fernsehshow die Vorbilder, nach denen diese beiden geformt wurden? Daniel K. geht Richtung Thomas Gottschalk, seine Konkurrenten schmecken wie so viele bunte Smarties im Unterhaltungsgeschäft.

Was der „Superstar“ wirklich ist

Andererseits: Die RTL-Show ist ein Gesangswettbewerb, kein Entertainer-Casting. Hier gilt die alte Belcanto-Regel prima la musica, poi le parole, also: Zuerst kommt die Musik, und dann der Text, sprich die Show. Das „Superstar“-Konzept ist opernnäher, als der gemeine Kulturpessimist meinen möchte. Vergleichen Sie doch nur mal die Nase von Juliette mit der von Maria Callas... Aber im Ernst: Die Zuschauer suchen hier jene überlebensgroßen, echten Emotionen, wie sie selbst im Gefühlsfernsehen selten vorkommen, bei der Oper aber garantiert sind. Ob diese Gefühle auch ehrlich sind, darauf kommt es bei Illusionskünsten nicht an – sie dienen als Hilfsmittel, die es dem Zuschauer erleichtern, eigene Emotionen zuzulassen.

Alle Grundregeln der Operndramaturgie werden von den „Superstar“-Machern eingehalten: Für jeden Auftritt bekommen die Stars ein neues Kostüm. Während der Arien gehört ihnen die Bühne allein, sie dürfen mit dem Saal flirten, die „Rampensau“ rauslassen. Allerdings gibt es drei Chöre: Die Claqueure im Saal, den Fernchor aus dem Off, der per Telefon eingreift, und schließlich den „griechischen“ Chor (die Viererjury), der wie in der antiken Tragödie nicht nur jede Bewegung der Protagonisten kommentiert, sondern auch in die Zukunft schauen kann. Nervig wie in der Oper sind die comprimari, die Nebendarsteller, die in langen Rezitativen unnötig die Auftritte der Diven hinauszögern: Michelle Hunziker, Soubrette mit miserabler Textverständlichkeit und ein klassischer Besetzungscouch-Fehlgriff, und Bassbariton Carsten Spengemann, der sich zwecks Zusammenfassung des bisher Geschehenen in den Vordergrund drängelt.

Juliette repräsentiert die typische Sopranistin, höhensicher, aber ein wenig hysterisch, Alexander gibt den von Ehrgeiz zerfressenen Tenor, der sich viel zu früh an viel zu heikle Partien wagt (Joe Cocker!). Daniel aber ist Cherubino, er spielt die „Hosenrolle“, eine geniale Opernerfindung, bei der junge Frauen Männer darstellen und als androgyne Wesen die Gefühle aller Beteiligten durcheinander wirbeln. Bei Mozart fliegt Cherubino bereits im ersten Akt raus, taucht aber wie ein Kobold immer wieder auf.

Bei RTL gibt’s keine Tapetentüren, hinter denen Daniel plötzlich hervorlugen könnte. Damit ist die „Superstar“-Oper aus. Mit den beiden Klonkriegern reicht es beim Finale am nächsten Samstag höchstens noch zur soap opera.

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