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Medien: Skinheads im Zielfernrohr

Hannes Stöhr drückt als Autor und Regisseur bei seinem „Tatort“-Debüt mächtig aufs Tempo

Bei seinem ersten „Tatort“ macht der Autor und Regisseur Hannes Stöhr die Zuschauer zu Komplizenl, er lässt sie die letzten Schritte des Opfers durch ein Zielfernrohr beobachten. Es ist ein Skinhead, der ermordet wird. Fünf Minuten später der zweite. Und nur wenig später wird auch Kommissar Ballauf (Klaus J. Behrendt) bei einer Schlägerei übel zugerichtet. Die Grundidee zum Film entstand unabhängig vom „Tatort“, sagt Stöhr. „Ich habe selbst mal einen solchen Überfall erlebt und weiß, wie furchtbar das ist.“

Köln ist ein ungemütlicher Ort in „Odins Rache“, dem 28. Fall von Ballauf und seinem Kollegen Schenk (Dietmar Bär). Und es sieht zu Beginn so aus, als wollte der „Tatort“-Debütant, der die Messlatte mit seinem gelungenen Kinodebüt „Berlin is in Germany“ ziemlich hoch gelegt hat, den Kommissaren mal wieder so richtig Beine machen. Das Tempo wird aber sehr bald wieder gedrosselt und die klassische Tätersuche verläuft nach wenig überraschendem Muster.

Filme, die im rechtsextremen Milieu spielen, sind freilich eine besondere Herausforderung. Glatt rasierte Schlägertypen, die dumpfen Unsinn grölen; aalglatte Führerfiguren, die eine nationalen Revolution wollen – solche Typen nerven auch in Krimis. Einerseits. Andererseits können Gewalt und Hass zweifellos Faszination ausüben. Hannes Stöhr hat sich deshalb Enthaltsamkeit auferlegt. Er wolle den Scheinargumenten keine Plattform bieten, sagt er. Das ist lobenswert, aber man erfährt von seinen klischeehaften Figuren auch sonst wenig: Motive und persönlicher Hintergrund bleiben im Dunkeln. Die beiden Mordopfer waren Rechtsextreme, die vor Jahren wegen eines Brandanschlags auf eine türkische Familie vor Gericht gestanden hatten, aber frei gesprochen wurden.

Zugleich beansprucht Stöhr durchaus Realitätsnähe. Er habe im Umfeld einer Aussteigerorganisation recherchiert. Sogar einer der Darsteller stamme aus diesem Milieu. Der Mann, dessen Name nicht genannt wird, spielt den inhaftierten Neonazi Kurt Keller, der die Kommissare besonders barsch behandelt. Die viel versprechendste Figur ist aber zweifellos V-Mann Olav. „Wie der Zufall es wollte: Als wir drehten, ging gerade die V- Mann- Affäre durch die Presse“, erinnert sich Dietmar Bär. So hat der „Tatort“ zwar mal wieder gesellschaftspolitisches Gespür bewiesen, aber sein Potenzial dennoch etwas verschenkt.

„Tatort: Odins Rache“, ARD, Sonntag, 20 Uhr 15

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