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Suche nach Erfolg: Zeit, dass sich was dreht

Sat 1, der Sender mit dem lustigen Ball-Logo, sucht den Weg aus der Sinn- und Quotenkrise. Denn es droht der Abstieg aus der ersten Fernsehliga.

„Wenn das, was auf Sat 1 Gold läuft, also Wiederholungen von ,Britt‘ oder ,Richterin Barbara Salesch‘ Gold ist, dann habe ich heute Morgen in meiner Toilette Gold heruntergespült.“ Insider wissen, dass Stefan Raab bei der Unterföhringer Sendergemeinschaft ProSiebenSat1 Narrenfreiheit genießt. Doch diese Gemeinheiten, wenige Tage nach dem Start des Resteverwertesenders Sat 1 Gold am 17. Januar in Raabs Sendung „TV Total“ formuliert, müssen Sat-1-Senderchef Nico Paalzow wehgetan haben. Denn Sat 1 Gold und die anderen Nebenprogramme, die im Laufe dieses Jahres teilweise im Pay TV gestartet werden sollen (darunter auch ein „ran“-Programm), wirken wie ein verzweifelter Rettungsversuch des schwer angeschlagenen Privatsenders, mit Archivmaterial noch Kasse zu machen.

Pro-Sieben-Matador Raab legte mit seiner Philippika den Finger in die Wunde des Schwestersenders. Sat 1 Gold sei ja für die ältere Generation, die Silver-Ager, gemacht. Er frage sich, wann denn Sat 1 etwas für die jungen Zuschauer mache – „Die Wanderhure“ müsse in dem neuen Umfeld doch umgetauft werden in „Trümmernutte“. Dabei war man bei Sat 1 noch so stolz, dass die „Rache der Wanderhure“ zum Sendestart von Sat 1 Gold 1,9 Prozent Marktanteil eingefahren hatte. Danach ging es bergab. Die Wiederholungen von „Barbara Salesch“ werden nur noch in homöopathischen Dosen geschaut.

Sat 1 benötigt wenigstens beim Kopieren ein vielversprechendes Geschäftsmodell, da sich die Quoten des Originals auf historischen Tiefständen bewegen. Ende letzten Jahres hatte man das Programm noch fleißig durcheinandergewirbelt in der Hoffnung, mit spektakulären und vermeintlich quotenträchtigen Programmen den Jahresmarktanteil auf knapp zweistellige Werte zu hieven. Vergeblich. Am Ende dümpelte Sat 1 bei einem Gesamtmarktanteil von 9,4 Prozent. Im März liegt der Wert bisher bei 8,4 Prozent – die Talfahrt geht weiter.

Damit verabschiedet sich Sat  1 langsam aus dem Konzert der bisher vier großen Vollprogramme ARD, ZDF, RTL und eben Sat 1. Inzwischen weiß man schon nicht mehr, wer wen verbrennt: Sat 1 einstige Markennamen wie Kerner, Gottschalk, Pocher und Harald Schmidt, die man von den Öffentlich-Rechtlichen abwarb? Oder haben die (abgehalfterten) Stars mit ihren teuren Gastspielen vielmehr dazu beigetragen, den Münchner Sender zu ruinieren? Klar ist, dass Sat 1 im Würgegriff seiner renditeorientierten Gesellschafter zu wenig Geld hat, um sich teure Flops zu leisten – und gutes Lizenzprogramm offensichtlich auch nicht. Ein Vorgänger Paalzows hätte gern die US-Serie „Game of Thrones“ für Sat 1 gekauft. Die mehrteilige Saga landete bei der Konkurrenz und wurde gerade erfolgreich bei RTL 2 ausgestrahlt.

Wie soll Paalzow Sat 1 wieder in erfolgreiches Fahrwasser bringen? Die Baustelle scheint riesig. Zu Wochenbeginn bröckelten die Quoten des bisherigen Aushängeschilds „Danni Lowinski“. Der Film „Zur Sache Macho!“ am Dienstag brachte es lediglich auf 1,38 Millionen Zuschauer (Marktanteil: 4,5 Prozent) und lag damit noch unter den Werten von Vox oder RTL 2. Trotzdem sagt Sendersprecherin Diana Schardt: „Wenn wir uns um etwas im Moment keine Sorgen machen müssen, dann ist es die Prime Time. Die läuft nämlich – ausgenommen den Mittwoch – sehr gut. Wir schwächeln am Vorabend und in der Daytime.“

„Lowinski“ hätte am Montagabend einmalig unter der starken Konkurrenz von „Unsere Mütter, unsere Väter“ im ZDF gelitten. Die öffentlich-rechtliche Konkurrenz verhagelt immer wieder das Sat-1-Geschäft. Vor gut einer Woche litt selbst der vielgelobte „Minister“ unter einem kurzfristig anberaumten und von über sieben Millionen Zuschauern eingeschalteten Wetter-Schwerpunkt im Ersten, was sich auch direkt auf die Einnahmen auswirkt. „Es ist ein alltäglicher Vorgang, dass die Preise für einzelne Sendungen nach oben oder unten korrigiert werden, je nachdem, wie viele Zuschauer tatsächlich eine Sendung sehen und ob sich dies mit unseren Prognosen deckt oder nicht“, sagt Schardt.

Sicher, Sat 1 sendet auch einige erfolgreiche Programme. „Navy CIS“ zum Beispiel, „The Mentalist“, auch „Homeland“ mit stabilen 15,9 Prozent Marktanteil. Das sind eingekaufte Serien. Und dennoch sucht der Sender sein Heil in deutscher Ware. „Am Vorabend und in der Daytime setzen wir ausschließlich auf Eigenproduktionen“, sagt Schardt. Derzeit seien mit mehr als 40 Formaten so viele Produktionen angestoßen worden wie noch nie.

Senderchef Paalzow hat im bisher einzigen Zeitungsinterview („FAZ“) seiner Amtszeit Ende Januar betont, „dass wir etwas jünger werden wollen und etwas mehr die Frauen im Fokus haben“. Sat 1 sei „ der einzige Privatsender, der in größerem Stil in deutsche Fiktion investiert. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal.“ Außerdem habe der Sender die deutsche Serie mit „Danni Lowinski“ und „Der letzte Bulle“ „wiederbelebt“. Dort werde weiter investiert, Sat 1 damit unterscheidbar von RTL und ProSieben.

Bis diese Maßnahmen Früchte tragen, hat der nicht mehr zweistellige Marktanteil eine positive Seite für Sat 1: Nun müsse doch kein Programm mehr von Drittsendeanbietern wie „Planetopia“ ausgestrahlt werden, argumentiert der Sender gegenüber der zuständigen Medienanstalt. Was sachlich richtig ist: Privatsender sind nämlich nur dann verpflichtet, Sendefenster von Drittanbietern auszustrahlen, wenn diese mehr als zehn Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum erzielen.

Jörg Seewald

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