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Medien: Themen statt Tränen

„Menschen bei Maischberger“, lange auf der ARD-Abschussliste, hat sich erholt

Bei „Menschen bei Maischberger“ passierte, was fast immer passiert, wenn eine neue Sendung nicht läuft: Erst wurde das Studio umgebaut, dann die Redaktion. Trotzdem erreichte die Sendung fast nie die zweistelligen Quoten, die die ARD erwartete. Immer wieder hieß es, ARD-Programmdirektor Günter Struve würde den Dienstagabend bald an seinen Neun-Millionen-Euro-Einkauf Harald Schmidt vergeben. Das wäre das Ende der Sendung gewesen.

In vergangenen Sommer, zwei Jahre nach dem Start von „Menschen bei Maischberger“, kletterte die Quote auf einmal bis auf zwölf Prozent und fiel seitdem nicht in den einstelligen Bereich zurück. An besonders guten Tagen lag Maischberger sogar vor Kerner, zum Beispiel als Christa Müller, Lea Rosh und Hiltrud Hensen (Ex-Schröder) im Oktober vor 13,9 Prozent der Zuschauer „Das Ende der Emanzipation“ diskutierten.

„Wir haben alle Fehler gemacht, die man machen konnte“, sagte Sandra Maischberger. Vor allem das Bunte, auf das die Sendung am Anfang gesetzt habe, habe nicht funktioniert, meint ihr Redaktionsleiter Theo Lange. Es habe ein „Fremdeln“ gegenüber der Sendung gegeben. „Der Zuschauer will das nicht von uns.“ Vor allem will der Zuschauer das wohl nicht von Sandra Maischberger.

Darauf habe man sich eingestellt. Die Verona Pooths gehen jetzt zu Kerner, und bei Maischberger gibt es fast nur noch Themensendungen. „Gesellschaftliche Themen“ seien dies, sagt Lange, die aber „weniger aus der Betroffenheitsperspektive als aus der zweiten oder dritten Ebene“ diskutiert würden.

Jetzt kommen zwar immer noch Prominente, aber vor allem solche, die man zu den Themen nicht erwartet. Schlagersänger und Ökobauer Michael Holm kommentiert die Geflügelpest. Schauspieler Armin Rohde den Wahlkampf. Und die Gäste reden vor allem miteinander. „Rede und Gegenrede sind uns wichtig“, sagt Lange. Hans-Jochen Vogel redet mit Oliver Pocher über Moral. Campino mit Alice Schwarzer über Angela Merkel. „Das ist das, was wir wollen: Zwei Menschen diskutieren, von denen man das nicht erwartete.“

Das Konzept ist riskant. Je nach Sendung funktioniert es gut oder nicht. Manchmal haben sich die Gäste nicht das Erhoffte zu sagen. Manchmal sagen sie Nichterhofftes. Nina Hagen beschimpfte Jutta Ditfurth als „blöde Kuh“. Das ging durch die Zeitungen. Aus der Redaktion heißt es, das sei unangenehm gewesen. Krawall passt nicht zum Image.

Maischbergers Nische ist nicht der Boulevardtalk sondern die Plauderei im – wie Lange sagt – „Salon“. Das muss einem nicht immer gefallen. Tatsächlich fehlt oft der Erkenntnisgewinn, zum Beispiel, wenn Eugen Drewermann in der Jahresrückblick-Sendung 2005 seine Welterklärungs-Schablonen ausbreitet. Anderthalb Millionen Zuschauer haben trotzdem nicht umgeschaltet und tun dies auch sonst nicht – damit hat die Sendung die Quoten von Kerner und Beckmann fast eingeholt. Mehr Quote muss es momentan nicht sein, sagt Redaktionsleiter Lange, das ginge nur über den Boulevard.

Mehr Zuschauer wird es in diesem Jahr aber trotzdem geben. Weil die „Tagesthemen“ früher anfangen, beginnt „Menschen bei Maischberger“ ab heute schon 22 Uhr 45. Da sind noch viel mehr Zuschauer wach. Aber: Kerner beginnt zur selben Zeit, die beiden Sendungen laufen 75 Minuten parallel. Bislang hörte Maischberger eine Viertelstunde später auf und holte nach dem Ende der „Kerner“-Show die höchsten Quoten.

Und dann kommt auch noch die Fußball-WM. Die regelmäßigen Maischberger-Zuschauer dürften kaum Fußballfans sein. Trotzdem, sagt Redaktionsleiter Lange, wird die Sendung Fußball nicht ignorieren können.

Die erste Sendung des Jahres verzichtet aber auf die einschlägigen Fußball- oder „Was bringt 2006?“-Themen. Stattdessen wird der Thementalk diesmal konsequent weitergedreht: Es geht um Sekten, die Gäste sind zum ersten Mal ausschließlich Unbekannte. Nach den Problemen kommen die Experimente.

„Menschen bei Maischberger“: ARD, 22 Uhr 45

Fabian Grabowsky

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