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Medien: Therapeut als Täter

ARD-Doku verfolgt neue Thesen zu Multipler Persönlichkeit

Die heute 59-jährige Elisabeth Reuter erinnert sich an ihren Vater, einen Pfarrer, als „total grausamen Menschen“. Als Kind sei sie regelmäßig geprügelt und etwa dadurch gepeinigt worden, dass der Vater das geliebte Kaninchen vor ihren Augen schlachtete und aß. Ein Psychotherapeut diagnostizierte später bei Elisabeth das Krankheitsbild der Multiplen Persönlichkeit. In ihrem Kopf existierten angeblich 32 verschiedene Personen. 1995 wurde sogar ein Film über sie gedreht („Der Riss im Kopf“), doch heute ist Elisabeth Reuter überzeugt, dass ihr die Krankheit unter Hypnose und Medikamenteneinfluss eingeredet wurde. Auch der sexuelle Missbrauch durch den Vater sei nichts als eine Erfindung des Therapeuten. Gegen ihn hat sie mittlerweile Klage eingereicht.

Nun gibt es einen zweiten Film über Elisabeth Reuter: In „Multiple Persönlichkeiten – Wahn der Therapeuten?“ greift Felix Kuballa den Fall auf und schildert zudem den Leidensweg einiger Frauen in den USA. Dort gab es in den letzten Jahren zahlreiche Zivilprozesse von Therapie-Opfern, die erfolgreich Schadenersatz einklagten. Allerdings berichtet Felix Kuballa kaum etwas über den aktuellen Diskussionsstand hierzulande. Der Film sollte bereits im März gezeigt werden, flog jedoch wegen der Berichterstattung aufgrund des Irak-Kriegs aus dem Programm.

Ein wenig seltsam ist die Tatsache, dass die ARD im Juni den Beitrag „Höllenleben – der Kampf der Opfer“ von Liz Wieskerstrauch ausstrahlte – mit genau gegenteiliger Tendenz. Dort schilderten „multiple“ Patienten, allesamt Frauen, wie sie als Kind missbraucht und zu satanischen Ritualen gezwungen wurden. Die nicht mehr zu überhörenden Zweifel an dem Krankheitsbild wurden dort in einem Nebensatz abgetan. Kuballa nahm diese Programmplanung „zornesbebend“, wie er es ausdrückte, zur Kenntnis. Er hätte sich gewünscht, dass beide Filme kurz hintereinander gesendet würden, eventuell mit anschließender Diskussion.

So lässt der Sender sein Publikum in diesem Glaubenskampf ratlos zurück. Soll man dem Fachverband von Traumatherapeuten (ISSD) Glauben schenken, der Kuballa bereits vor der geplanten Ausstrahlung im März vorwarf, falsch zu berichten? Das Problem bestehe darin, dass die Erkrankung nicht erkannt werde. Oder hat doch das Fachblatt „Psychologie heute“ mit seinem Urteil Recht, es sei inzwischen wissenschaftlicher und juristischer Konsens, dass die multiplen Persönlichkeiten „ein Fabrikat der Therapeuten“ gewesen seien? Weitere Aufklärung tut Not.

„Multiple Persönlichkeiten – Wahn der Therapeuten?“: 23 Uhr 30, ARD

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