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Medien: Trau’ keinem unter 70

Sat 1 recycelt für den Wahlkampf ein bewährtes Format: „Talk im Turm“. Moderator Erich Böhme will damit seine Fernsehkarriere beschließen

Von Barbara Nolte

Mit einem Knall verabschiedete sich Erich Böhme vor vier Jahren vom Sender Sat 1, für den er acht Jahre lang „Talk im Turm“ moderiert hatte. Er sagte: „Macht doch euren Kinderfunk alleine“ – und war weg. Bis zum gestrigen Dienstag. Da saß er im Hotel Adlon auf einmal wieder zwischen Martin Hoffmann und Jörg Howe. Er saß also eingerahmt vom Sat-1-Geschäftsführer und dem Chefredakteur und erklärte seinen Abgang von damals so: „Zu der Zeit dachten die Sender doch, mit 49 hört das Leben auf.“

Heute denkt man das nicht mehr, heute gilt eher das Gegenteil: Dass mit 49 das Leben anfängt. Noch nicht ganz, eher mit 65. Die Telekom und Bertelsmann haben gerade zwei über 70-Jährige zu ihren Chefs gemacht. RTL hat Friedrich Nowottny, 73, engagiert, n-tv den 66-Jährigen Klaus Bresser. Erich Böhme erzählt, wie kürzlich in seinem bayerischen Landhaus das Telefon klingelte. Martin Hoffman war dran: Ob er nicht nochmal Lust habe… Und so ist auch Böhme, 72, wieder da. Auf seinem alten Sender, in seiner alten Sendung „Talk im Turm“, die Sat 1 vier Mal vor und einmal nach der Wahl wieder aufleben lässt.

Am 26. August um 22 Uhr 15 geht es los. An einem Montag. Der Sonntag, sagt Hoffmann, sei „voll“. Das Studio wird im Foyer des Hauses der Telekom sein, gleich neben der Sat-1-Zentrale in Berlin Mitte, ein Studio, das Böhme aufgrund seiner Größe „überbautes Fußballfeld“ nennt. Das Thema der Premiere: Krieg und Frieden. Die Kontrahenten: Verteidigungsminister Peter Struck und Wolfgang Schäuble von der CDU. Vielleicht wird noch jemand dazu eingeladen, denn Böhme hätte am liebsten immer drei Gäste. „Große Runden haben sich überlebt“, sagt er. Zwei sind ihm wiederum zu wenig. Das wäre dann ja ein Duell: Und die Duelle will er den anderen überlassen. „Wir reagieren mit unserer Sendung auf Aktualität“, sagt er dann noch, weshalb Struck und Schäuble durchaus mit einer Ausladung rechnen müssten.

Nur für die letzte Sendung, ausnahmsweise an einem Sonntag, am Wahltag, sind die Gäste fest gebucht: Günther Jauch und Harald Schmidt. Es bringe einfach nichts, an einem solchen Tag Politiker einzuladen, sagt Erich Böhme. „Die bedanken sich nur bei ihrem Wähler. Und die dreiviertel Stunde ist um.“ Natürlich geht es auch mit den beiden Kollegen um eine Analyse der Wahl. „Jauch ist ein hochintelligenter Junge“, sagt Böhme. Für ihn selbst wird die Sendung der Schlusspunkt seiner 13-jährigen Fernsehkarriere sein. „Danach können Sie mich in Frankreich besuchen kommen“, sagt er – dort hat er auch ein Haus. Eigentlich wäre ja der klassische Satz in so einer Situation: „Danach sollen Jüngere ran.“ Aber, wie gesagt, die Zeiten sind andere.

Sat-1-Chef Hoffmann will nicht auf sich sitzen lassen, dass er nur bewährte Kräfte von der Konkurrenz abwerbe, dass sein Sender keine eigenen journalistischen Talente habe. Peter Limbourg sei doch ein aussichtsreicher „Nachwuchsjournalist“. Limbourg ist 42, N-24-Chef und dreifacher Familienvater. Nachwuchs? Nun ja. Ein bisschen trotzig fügt Hoffmann hinzu: „Limbourg ist eine andere Generation als Böhme.“

Mit Erich Böhme wird der Polit-Talk wohl wieder aus dem Sat-1-Programm verschwinden. Dabei wollte der Sender eigentlich schon lange wieder eine Talkshow machen, einen Nachfolger von „Talk im Turm“, die Böhme- Nachfolger Stefan Aust ins Aus moderierte. Aber Sat-1-Chef Martin Hoffmann beklagt die Inflationierung des Talkformats – die will er wohl nicht noch forcieren: „Der Talk hat die Reportage schon ganz verdrängt.“ Aber auch zum Retter der Reportage will er nicht werden. „Das wiederum“, sagt er, „ist in erster Linie die Sache der Öffentlich-Rechtlichen“.

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