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TV-Drama: Carlas Geheimnis

Zu viele Wendungen: Der ZDF-Montagsfilm "Ich habe es Dir nie erzählt" schießt übers Ziel hinaus.

Aus der Wissenschaft kennt man das. Da forscht einer mit einem bestimmten Ziel, und heraus kommt etwas anderes, womöglich noch Besseres. So sollte Tesafilm eigentlich ein Wundpflaster und Viagra ein Herzmittel sein, und ein ähnliches Zufallsprodukt gibt es heute Abend im ZDF.

Die Ankündigung des Fernsehfilms „Ich habe es dir nie erzählt“ liest sich wie seichte Unterhaltung: Alleinerziehende Mutter hat Probleme mit renitenter Teenager-Tochter und außerdem ein großes Geheimnis vor ihr. Doch schnell wird dieser Konflikt zum Hintergrundflimmern. Die Mutter hat nämlich noch einen Liebhaber, der früher Trinker war, und fast nebenbei bekommt man eine beeindruckende Schilderung von Abhängigkeit und Koabhängigkeit zu sehen.

Ein eher schwieriges Verhältnis zu ihren Mitmenschen hat die alleinerziehende Mutter Carla (Barbara Auer) schon von Berufs wegen. Als Gerichtsvollzieherin klingelt sie jeden Tag an Türen, die man ihr nicht öffnen will, und stellt unerwünschte Fragen. Ob er Bargeld besitze, fragt sie etwa einen Mann, der bei geschlossenen Vorhängen auf seinem Sofa liegt. Die Haustür hat sie aufbrechen lassen, über seine Klagen redet sie routiniert hinweg. Irgendwann packt der Mann sie, und weil er sich in seiner Verzweiflung selbst verletzt hat, bleiben Blutspuren auf ihrer adretten Bluse. Aber wirklich berührt, irgendwo drinnen, hat er Carla nicht. Das kann keiner.

Bis Andi (Roeland Wiesnekker) kommt. Er spielt im selben Orchester wie Carla, nach einer Probe gehen sie in eine Kneipe und reden über das unerotischste Thema der Welt. Carla hat ein Computerproblem, Andi sagt, er könnte helfen. „Meine Software ist aber sehr speziell“, warnt sie, und er antwortet: „Je spezieller, desto besser.“

Ein amouröses Schlüssel-Schloss-Prinzip greift bei den beiden. Auf der einen Seite eine überkontrollierte Frau, auf der anderen Seite ein Mann, durch seinen Alkoholismus vertraut mit Grenzüberschreitungen, distanzlos und nimmersatt: Sie liegen im Bett, er hat seinen Mund gerade noch über ihre Brust gestülpt, da sagt er, wie gern er jetzt ein Glas Rotwein hätte. Und prompt sammelt sie ihre Körperteile, die sie ihm willig hingestreckt hatte, wieder ein, setzt sich auf im Bett und verlangt ein Gespräch.

Bald wird sie ihre deformation professionelle, das Stöbern und Schnüffeln, auch bei ihm ausleben, und er wird durch ihr Misstrauen einen willkommenen Anlass haben, wieder zur Flasche zu greifen.

Für das Drama, das Alkoholismus bedeutet, liefert die Autorin Britta Stöckle eine lebensechte Vorlage. Die Schauspieler stellen unter der Regie von Johannes Fabrick ihre Annäherung so überzeugend dar, dass sich der Zuschauer manchmal fast abwenden will, um nicht indiskret zu sein. Doch leider lassen es die Filmemacher darauf nicht beruhen. Die Liebesgeschichte soll nur ein Katalysator sein, um Carlas Geheimnis ans Licht zu bringen, das mit ihrer Tochter zusammenhängt.

So nimmt der Film eine Wendung und dann noch eine, und man wünscht sich, den Filmemachern wäre es wie den Wissenschaftlern gegangen und sie hätten erkannt, was sie da eigentlich vollbracht haben. Verena Friederike Hasel

„Ich habe es dir nie erzählt“, ZDF, 20 Uhr 15

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