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Showtime. Die Entwicklung der kecken Bürgerstochter Isa Vermehren (Nadja Uhl) zur Nonne während der Nazizeit ist das Thema im Spielfilm „Ein weites Herz“. Foto: dpa

© dpa

TV-Film: Geballter Frohsinn

Zwischen Kabarett, KZ und Kloster: Nadja Uhl wird mit „Ein weites Herz“ wohl keinen Fernsehpreis gewinnen.

Von Susanna Nieder

Isa Vermehren muss eine beeindruckende Frau gewesen sein. Die Tochter aus großbürgerlichem Haus sang unter den Nazis subversive Lieder in Berliner Kabaretts und überlebte das letzte Kriegsjahr als Sippenhäftling in verschiedenen Konzentrationslagern, nachdem ihr Bruder Erich zu den Briten übergelaufen war. 1951 trat sie in ein Kloster ein, wurde Lehrerin und Schulleiterin. Auf Youtube erzählt sie 2004 als überraschend lebhafte 86-Jährige über ihren Entschluss, Nonne zu werden: „Liebes Kind, das war der Wille Gottes schlechthin. Meiner war es bestimmt nicht. Und meine ganze Umgebung war entsetzt.“

Hervorragender Stoff also! Paraderolle für Nadja Uhl! Der Titel der ZDF-Verfilmung von Isa Vermehrens Leben „Ein weites Herz – Schicksalsjahre einer deutschen Familie“ macht allerdings stutzig, die Filmografie des Regisseurs Thomas Berger („Wir sind das Volk – Liebe kennt keine Grenzen“, „Mein Weg zu Dir heißt Liebe“) ebenfalls. Friedrich von Thun spielt Isas Vater, Max von Thun den verräterischen Bruder Erich, Iris Berben die Mutter. Das klingt nach weichgespülter Wohlfühlware – nicht das, was man sich in diesem Zusammenhang erhofft.

Und genau so kommt es auch. Da kann Nadja Uhl noch so konzentriert Herz und Verstand ausstrahlen, Hinnerk Schönemann als ihr proletarischer Geliebter tragisch dem Untergang geweiht sein, Thomas Thieme den ekelhaften Naziverhörer herauskehren – gegen die geballte Entschlossenheit zum Frohsinn kommen sie alle nicht an.

Das Wichtigste bei dieser Produktion scheint gewesen zu sein, eine Familie darzustellen, wie sie sich das ZDF zur besten Sendezeit vorstellt. Alles quasselt durcheinander, manchmal gibt es Ärger, aber im Grunde haben sich alle lieb (Drehbuch: Annette Hess, ausgezeichnet für „Weißensee“, zusammen mit der Jungautorin Franziska Gerstenberg und dem Regisseur). Diese auf Biegen und Brechen gut gelaunte Erzählhaltung, die gefällige Optik (Kamera: Thomas Küpper) und die süßliche Musik (Florian Tessloff) taugen höchstens für Schmonzetten.

Mitten im Krieg wird da in weißen Kleidern über Land geradelt; Bomben, Hunger und all das stören kaum, und am Kriegsende verunziert kein Russe, kein Ami, kein Ausgebombter die Berliner Villa. Das Schlussbild zeigt die ganze Familie wiedervereint unter einem großen, grünen Baum. Alles bestens, Kinder!

Der Versuch, mit solchen Mitteln Themen wie Isas Konversion zum Katholizismus darzustellen, scheitert geradezu spektakulär. Weder glaubt man die behauptete Liebesbeziehung zwischen ihr und ihrer späteren Schwägerin Elisabeth von Plettenberg (ohne jede Ausstrahlung: Peri Baumeister ), noch bekommt man irgendeine Ahnung vom Katholizismus, mit der die eine die andere angeblich ansteckt. In der Szene, die den großen Augenblick darstellen soll, kniet Isa in der Kirche, aus keinem ersichtlichen Grund setzen die Geigen ein, sie schließt die Augen ... und wenn jetzt eine Stimme aus dem Off hauchte: „Jacobs Kaffee – wunderbar!“, wäre man fast erleichtert.

Besonders lausig geraten unter diesen Umständen die Szenen im Konzentrationslager. Isa sitzt in Einzelhaft und wird immer blasser geschminkt, draußen vor ihrem Gitterfenster haben die Frauen gestreifte Lumpen an, auf der Tonspur ist hauptsächlich „Schnauze!“, „Maul halten!“ oder Gewehrfeuer zu hören.

Das ist hilflos genug inszeniert, aber es ist nichts gegen das, was die Eltern zu bieten haben. Die sitzen nämlich in Dreiteiler und Seidenstrümpfen in einer gemeinsamen Zelle, können sich praktischerweise durch ein Loch in der Wand mit ihrem Sohn Michael (Alexander Khuon, der bessere Rollen verdient hätte) unterhalten und nutzen den KZ-Aufenthalt, um ihre zerrüttete Ehe zu kitten. Das wird mit kecken Dialogen von Zelle zu Zelle kundgetan: „Dein Vater hat um mich geworben wie ein verliebter Teenager, da blieb mir nichts anderes übrig.“

Warum macht das ZDF aus großartigem Material wie dem Leben der Isa Vermehren ein derart belangloses Gegurgel, während es mit dem Dreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter“ völlig neue Maßstäbe für den filmischen Umgang mit der deutschen Vergangenheit gesetzt hat? Es ist zum Haareraufen. Man möchte solche Albernheiten nie wieder sehen – und schon gar nicht in einem öffentlich-rechtlichen Sender.Susanna Nieder

„Ein weites Herz“,

Ostermontag, ZDF, 20 Uhr 15

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