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TV-Werbemarkt: Kartellamt untersucht Rabattverträge

Zwei Vermarkter und vier Agentur-Holdings entscheiden über einen großen Teil des acht Milliarden Euro dicken TV-Werbemarktes. Den Kartellwächtern ist das nicht geheuer. Sie schicken ihre Kontrolleure raus.

Zurzeit sind die großen Fernsehvermarkter wieder unterwegs, um die neuen Programme ihren Werbekunden vorzustellen. Ganz so unbeschwert wie in den letzten Jahren können die Werbezeitenverkäufer sich und ihre Sender diesmal jedoch nicht zelebrieren. Denn der Schreck über die Razzia bei RTL und ProSiebenSat1, respektive ihren Vermarktern IP und SevenOneInternational, sitzt tief: Vor wenigen Tagen stellten Beamte des Bundeskartellamts in Köln und München deren Büros auf den Kopf und beschlagnahmten haufenweise Akten- und Datenmaterial. Der Verdacht des Amtes: Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sowie wettbewerbsbeschränkende Absprachen.

Zum Hintergrund: Die Sendertöchter vermarkten im Auftrag ihrer Muttergesellschaften, zu denen RTL, Vox, Super-RTL, n-tv sowie Sat 1, Pro 7, Kabel 1 und N24 gehören, die Werbezeiten. Damit verfügen sie über 80 Prozent des TV-Werbemarktes. Silke Kaul vom Bundeskartellamt erklärt: „Unsere Untersuchung bezieht sich besonders auf die Rabattverträge, die es zwischen den beiden marktbeherrschenden TV-Vermarktern und den Mediaagenturen gibt.“

Die Mediaagenturen sind dabei die Geschäftspartner der beiden großen Vermarkter. Die Agenturen buchen die Werbezeiten für ihre Kunden, den werbetreibenden Firmen und Konzernen, bei den Vermarktern der jeweiligen Sender. Sie werden von den Kartellwächtern ebenfalls genau beobachtet, denn auch hier hat mit vier Holdings, die sich herausgebildet haben, eine Konzentration stattgefunden. Die Mediaagenturen vergeben den Großteil der rund acht Milliarden Euro, die jährlich für Fernsehwerbung ausgegeben werden.

Dabei soll es mittlerweile üblich sein, dass eine Mediaagentur, die bei einem der Sendervermarkter ein besonders hohes Budget für Werbezeit bucht, etwa in einem dreistelligen Millionenbereich, als Gegenleistung einen Rabatt in Millionenhöhe zurückerhält.

Die Art und Weise, wie diese Rabatte zustande kommen, wird jetzt vom Bundeskartellamt genau durchleuchtet. Kaul: „Es besteht die Gefahr, dass der Markt für kleinere Sender durch diese Praktiken abgeschottet wird.“ Denn Sender mit einem Marktanteil um die ein Prozent wie beispielsweise das Vierte oder D-Max sind nicht in der Lage, den Agenturen solche Rabatte zu bieten. „Wenn dann noch herauskommt, dass sich die beiden Sendergruppen untereinander absprechen, um zum Beispiel Werbepreise und Rabatte festzulegen, dann wäre das eine Kartellabsprache“, ergänzt Kaul.

Beide TV-Vermarkter gehen offiziell davon aus, dass sie sich nicht rechtswidrig verhalten haben. Ein Brancheninsider urteilt: „Unser Markt funktioniert eben anders als der Markt für Bremsscheiben. Wir verkaufen Kontakte. Und da haben die größeren Sender per se eine höhere Relevanz und bieten eine bessere Qualität, weil es darum geht, die Konsumenten direkt zum Start einer Werbekampagne mit dem entsprechenden Werbespot zu erreichen. Die kleinen Sender schaffen es zum Teil über ein ganzes Jahr nicht, solch einen Erstkontakt zum Zuschauer aufzubauen, und haben damit für die Werbewirtschaft kaum eine Bedeutung.“

Die kleineren Sender, aus deren Umfeld die „anonyme Anzeige“ beim Bundeskartellamt vermutet wird, hoffen nun, von der aktuellen Entwicklung zu profitieren. „Das Rabattierungssystem sollte nicht so sein, dass wir automatisch aus dem Markt rausgekickt werden. Es gibt viele Werbekunden, die auch gerne einmal bei kleineren Sendern Werbung schalten würden. Aber die kommen nicht raus aus ihren Verträgen oder sie würden viel Geld verlieren“, heißt es aus ihrem Umfeld.

Tatsächlich scheint das bestehende System nicht im Sinne derer zu sein, die das Ganze letztlich bezahlen: der werbetreibenden Industrie. Während die Mediaagenturen bestrebt sind, die höchsten Rabatte herauszuholen, um davon auch selbst finanziell zu profitieren, ist es fraglich, ob die entsprechenden Werbeschaltungen das Optimum für die Werbetreibenden darstellen. Mercedes und Coca-Cola etwa haben ihren Mediaagenturen mittlerweile Auflagen gemacht, weniger auf die Rabatte zu achten, sondern mehr auf die Qualität der Werbeplatzierung.

Joachim Schütz, Geschäftsführer der Organisation Werbetreibende beim Markenverband, bestätigt: „Bei den Rabatten geht es um das Geld der Werbetreibenden. Die Werbekunden müssen wissen, welche Absprachen getroffen werden. Es ist bisher oft nicht durchschaubar, was mit den Rabatten geschieht. Landen sie komplett bei den Mediaagenturen und nicht bei den Kunden, die durch ihre Investitionen dazu beigetragen haben, dass die Rabatte überhaupt erzielt werden konnten?! Das sind die Fragen, die uns bewegen. Insofern würden wir uns natürlich mehr Wettbewerb wünschen, denn die Marktkonzentration ist sowohl auf Agenturseite als auch auf Vermarkterseite offensichtlich.“ Ob diese Situation als illegal einzuschätzen ist, hält Schütz für fraglich. „Aber durch die aktuellen Vorgänge ist der Markt zumindest für das Thema sensibilisiert.“

Der Geschäftsführer von SevenOneMedia Peter Christmann jedenfalls hat bereits vor kurzem angekündigt, neue Geschäftsmodelle entwickeln zu wollen, um etwaigen Entscheidungen des Bundeskartellamtes zuvorzukommen.

Wilfried Urbe

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