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Medien: Überfall im Paradies

Arte-Themenabend zum „Terror gegen Touristen“

Sommerzeit, Reisezeit, Wonnezeit, ja so soll es sein. Aber dann schiebt sich doch ein Schatten vor den erwartungsträchtigen Jubel. Es könnte ja was schief gehen. Das Flugzeug abstürzen. Oder ein Terrorist zuschlagen im Ferienparadies. Sollte man also doch lieber zu Hause bleiben? Auch wenn die meisten tödlichen Unfälle im Haushalt passieren, das Auto noch immer das gefährlichste Fortbewegungsmittel ist? Die Deutschen lieben das Reisen in ferne Länder. Sie sehnen sich nach Sonne, Meer und fremden Kulturen, wollen aber auf gar keinen Fall auf Sicherheit verzichten. Aber es gibt keinen sicheren Ort, das haben spätestens die vergangenen zwei Jahre gezeigt mit den Attentaten in Djerba und auf Bali. Oder schon 1997 der Anschlag im ägyptischen Luxor. Kann man noch in islamische Länder reisen? Die Dokumentarfilmerin Karin Rieppel hat sich aufgemacht nach Ägypten, um zu sehen, wie dieses Land, dessen wichtigste Einkommensquelle der Tourismus darstellt, den unentbehrlichen deutschen Touristen das Gefühl zu vermitteln versucht, es könne nichts passieren. Elektronische Eingangsschleusen vor dem Karnack-Tempel. Überall, auf Märkten und Plätzen, in den Hotels, Moscheen und Museen Polizei und Militär. Zur symbolischen Abschreckung oder als tatsächlicher Schutz? Einzelne Autos dürfen nicht durch die Wüste fahren, sie werden zu Konvois zusammengestellt und begleitet. Sind sie so nicht erst recht perfekte Ziele? Der Staat tut viel. Aber das Richtige? Die Meinungen der Reisenden gehen auseinander, die einen fühlen sich in ihrer individuellen Bewegungsfreiheit beschränkt, die anderen in guter Hand. Ein beklommenes Gefühl haben alle. Und wenn dann auch noch Überlebende der Attentate von Djerba und Bali von ihrem Leben danach berichten, hinterlässt der Film „Reisen im Schatten des Terrors“ (Arte, 20 Uhr 45) schließlich einen zwiespältigen Eindruck, der der Lust aufs Reisen die Leichtigkeit gründlich austreibt.

Ungleich genauer leuchtet Piet Eekman in die französische Tourismus-Industrie hinein („Attentat im Paradies“, 21 Uhr 20). Auch in den von der Landesrealität abgeschotteten Clubdörfern am Mittelmeer geht die Angst um. „Wir vertrauen niemandem", sagt ein Hotelier. Die Getto-Siedlungen haben sich zu „Hochsicherheitstrakten" verwandelt, bei deren Eintritt buchstäblich jeder gefilzt wird. Sicherheitsdienste, Überwachungskameras überall, ohne Rücksicht auf Datenschutz und Persönlichkeitsrechte. Wer auf den Straßen Marokkos verdächtig aussieht, läuft Gefahr, einfach so verhaftet zu werden. Taschenkontrollen selbst am Eiffelturm. In Nizza Giftgas-Übungen mit aufgemaltem Blut und melodramatischer Schminke. Über die Effizienz all dieses Aktionismus darf, so der Autor, gestritten werden. Absolute Sicherheit gibt es nun einmal nicht. Pikanterweise bedecken sich größere Reiseveranstalter mit Schweigen – dass Touristen gefährdet sein könnten, behandeln sie als Tabuthema. Nur: die Touristen selbst wissen bestens darüber Bescheid. Und so entpuppt sich das Offenlegen des Tabus als geheimnisfrei.

Und wenn im vierten Teil des Themenabends – nach einer Diskussion mit Tourismusexperten – Marian Marzynskis Dokumentation „Jenseits der Angst – Fliegen ohne Risiko" (22 Uhr 15) wiederholt wird, in der ein riesiger Sicherheitsaufwand beruhigen soll, aber die gezeigten zerfetzten Leichen die Angst erst richtig schüren, bleibt nur eins: Jeder muss selbst entscheiden, wie viel Risiko er sich aussetzen will beim Reisen. Freiheit und Sicherheitsbedürfnis vertragen sich nur schwer.

„Themenabend: Terror gegen Touristen“: Arte, ab 20 Uhr 45

Mechthild Zschau

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