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Zweierlei Maß. Andy Coulson, der frühere Chefredakteur der „News of the World“, wurde schuldig gesprochen. Seine Vorgängerin Rebekah Brooks bleibt auf freiem Fuß. Foto: AFP

© AFP

Urteil im britischen Abhörskandal: Der Coulson war’s

Schuld- und Freispruch im Prozess um den Abhörskandal bei „News of the World“. Der frühere Chefredakteur Andy Coulson wurde schuldig gesprochen, die frühere Chefin Rebekah Brooks nicht.

Mehr als 600 Mobiltelefone ließ die „News of the World“ abhorchen. Unbedingt wollte das Boulevardblatt aus dem Murdoch-Imperium vor der Konkurrenz wissen, ob bei Prominenten und anderen Briten schlagzeilenträchtige Storys abzuholen waren. Als die in ihren Dimensionen einmaligen Abhörpraktiken ruchbar wurden, waren selbst die pragmatischen Inselbewohner empört. Rupert Murdoch stellte „News of the World“ ein, ein Untersuchungsausschuss des Parlaments förderte die ganze Infamie zutage, seitdem wird an restriktiveren Pressegesetzen gebastelt, es kam zum Prozess.

Am Dienstag nun wurde der frühere Chefredakteur Andy Coulson schuldig gesprochen. Er habe von den illegalen Abhörmaßnahmen gewusst und sie toleriert. Ein Strafmaß wurde zunächst nicht verkündet, Coulson droht aber eine Haftstrafe, melden die Agenturen. Er muss sich im Herbst in einem weiteren Verfahren wegen Meineids verantworten. Seine Vorgängerin auf dem Chefposten, Rebekah Brooks, wurde in dem Verfahren in London hingegen in allen elf Anklagepunkten freigesprochen, ebenso ihr mitangeklagter Ehemann Charlie Brooks.

Andy Coulson hatte im April vor Gericht zugegeben, die Bestechung eines Polizisten gebilligt zu haben. Der Vorfall liegt elf Jahre zurück: Damals bat der damalige Palastreporter Clive Goodman um Zustimmung, einem Polizisten ein Telefonbuch der Königsfamilie für tausend Pfund (etwa 1250 Euro) abkaufen zu dürfen. Trotz der Warnung, dies könne die „Käufer“ auf die Anklagebank bringen, gab Coulson nach eigenen Angaben grünes Licht. Der heute 46-Jährige verließ „News of the World“ 2007, nachdem Goodman wegen des Abhörens von Promi-Telefonaten zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war. Der heutige Premierminister David Cameron machte Coulson dennoch zu seinem PR-Berater und schließlich 2010, nach dem Wahlsieg der konservativen Tories, zum Regierungssprecher. Cameron entschuldigte sich am Dienstag öffentlich für seine Personalwahl. „Es war die falsche Entscheidung“, sagte er. Coulson habe ihm versichert, er habe nichts mit den Abhörmethoden zu tun. Das Ehepaar Cameron ist mit dem Ehepaar Brooks eng befreundet.

Richtig ins Rollen kam der Skandal 2011, als der Fall Milly Dowler bekannt wurde. Die Reporter der „News of the World“ hatten neben Schauspielern, Mitgliedern des Königshauses und Politikern auch die Mailbox des ermordeten Kindes angezapft und durch das Löschen von Nachrichten dessen Eltern den Eindruck vermittelt, die Vermisste könnte noch leben. Ein Aufschrei ging durch Großbritannien. Reporter, Chefredakteure und nicht zuletzt die zur Verlagschefin aufgestiegene Rebekah Brooks im britischen Zeitungsimperium von Rupert Murdoch standen unter Erklärungs- und Rechtfertigungszwang. Die Polizei nahm ranghohe Personen der Medienszene, darunter auch Brooks und Coulson, vorübergehend fest. Rupert Murdoch musste zwei Mal vor Ausschüssen des Unterhauses aussagen. Später sagte der Medienzar, das seien die schlimmsten Stunden seiner Karriere gewesen. Am 10. Juli 2011 stellte er die Skandalzeitung ein. Andy Coulson sah sich zum Rücktritt als Camerons Regierungssprecher gezwungen. Seitdem läuft die juristische, politische, publizistische Aufarbeitung.

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