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Medien: Verliebt, verlobt, verheiratet?

Springer wurde bei der Partnersuche in der Schweiz fündig. Bei Ringier wäre der Verlag zu Zugeständnissen bereit

Von Ulrike Simon

Journalisten haben gemeinhin eine Schwäche für Verlage, an deren Spitze „noch ein wirklicher Verleger“ steht. Meistens sind das jene Journalisten, die in von Managern geführten Verlagen arbeiten. Das seien Erbsenzähler, schimpfen sie dann, Erbsenzähler, die keinen blassen Schimmer haben, wie Kreative arbeiten, und die glauben, ein Verlag lasse sich wie eine Schraubenfabrik führen. Meistens schwärmen diese Journalisten dann von Verlegern mit Visionen, Tatendrang und dem Mut, ein Risiko einzugehen.

Michael Ringier ist so ein „wirklicher“ Verleger. Manche sagen, er sei ein Verleger, der mehr Ideen als Kapital habe. Michael Ringier ist jener Schweizer, mit dem Friede Springer, aber auch Leo Kirch zurzeit verhandeln.

Nur noch wenige Tage bleiben Leo Kirch, um selbst einen Käufer für sein Aktienpaket am Axel Springer Verlag zu finden. Allerdings gilt zurzeit die Entscheidung des Münchner Landgerichts, dass Leo Kirch seinen Anteil an niemanden verkaufen darf, den Friede Springer ablehnt. Sie hält gemeinsam mit den Verlegerenkeln Axel Sven und Ariane Melanie Springer die Mehrheit am Verlag. Die WAZ- Gruppe ist so ein potenzieller Käufer, den die Hauptaktionärin ablehnt. Die WAZ-Gruppe passe nicht zu Springer, sagt sie und ist sich ausnahmsweise mit ihrem Stiefenkel einig. Michael Ringier hingegen, dessen Verlag 2001 mit rund 6000 Mitarbeitern 725 Millionen Euro und 23,74 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftete, scheint besser zu Springer zu passen. Mit ihm führen Friede Springer und Vorstandschef Mathias Döpfner seit einiger Zeit Gespräche. Dasselbe gilt für Leo Kirch. Ist der Schweizer die Lösung im unendlichen Streit zwischen Kirch und Springer?

Michael Ringier, 53 Jahre alt, verheiratet, Vater von zwei adoptierten Töchtern, sammelt Kunst, läuft Marathon, spielt Tennis und Golf. Und er hat „gute Manieren“. Das kommt allen, die ihn kennen, als erstes in den Sinn, wenn man fragt, warum Friede Springer und Michael Ringier zusammenpassen würden. Dass die Verlegerwitwe sich von guten Manieren beeindrucken lässt, ist bekannt. Nicht erst, seitdem sie Döpfner ihr Vertrauen geschenkt hat. Als zweites Argument, das für Michael Ringier spricht, kommt meist der Satz, er sei zwar alles andere als ein politischer Kampfhahn, aber durchaus ein konservativer Mann. Auch das passe hervorragend zu Springer. Außerdem, heißt es dann noch, soll sich doch Mathias Döpfner recht gut mit Michael Ringier verstehen – und Döpfners Vorgänger Gus Fischer sei doch nicht nur Schweizer, sondern sogar im Verwaltungsrat von Ringier gesessen.

Michael Ringier kennt die deutsche Medienlandschaft sehr gut. Manche sagen, er bewundere den deutschen Journalismus ein bisschen. Der Verlagserbe begann nach dem Studium eine Journalistenausbildung bei der Münchner „Abendzeitung“. Ende der 70er Jahre durchlief er ein Traineeprogramm beim Hamburger Bauer-Verlag. Bei Gruner + Jahr arbeitete er an der Entwicklung des Wirtschaftsmagazins „Impulse“ mit. Danach war er ein Jahr lang Wirtschaftsredakteur beim „Stern“, bevor er in Köln Ressortleiter bei „Impulse“ wurde. 1983 kehrte er zu Ringier in die Schweiz zurück.

In den folgenden Jahren kam es zu Differenzen mit seinem Bruder Christoph, der 1991 aus dem Unternehmen ausschied. 1997 übernahm Michael Ringier die operative Führung des Verlagshauses. Dabei verhandelte er immer wieder mit deutschen Verlagen, mal mit Gruner + Jahr, mal mit Springer. Vor zweieinhalb Jahren zum Beispiel hat Ringier den Springer-Anteil an gemeinsamen Unternehmen in Tschechien und der Slowakei gekauft. Ringier sagte damals der „Handelszeitung“, Springer habe „sich damals vorgestellt, dass über diese Beteiligung der Einstieg in die Schweiz schneller gelingen könnte. Springer hat die Nähe von Ringier für seine Auslandsexpansion gesucht“. Ringier expandierte bereits Ende der 80er Jahre nach Mittel- und Osteuropa. In Rumänien, der Slowakei, in Tschechien und Ungarn erscheinen über 20 Ringier-Zeitungen und -Zeitschriften. Springer ist seit Mitte der 90er in Rumänien und Ungarn aktiv – das würde sich gut ergänzen.

Die beiden Häuser scheinen sich zu mögen. Vielleicht auch, weil die Ringier AG ein reines Familienunternehmen ist. Da gibt es viel Verständnis füreinander. Auch die Berichterstattung in der „Welt“ beweist Wohlwollen. Nicht erst, seitdem deren Chefredakteur Wolfram Weimer die Unterschriftenaktion gegen die WAZ angezettelt hat, gilt die „Welt“ als Speerspitze im Kampf gegen feindliche Invasoren. In der „Welt“ vom Mittwoch stand unter der Überschrift „Michael Ringier trotzt der Krise“, dass es dem „erfolgsverwöhnten Michael Ringier“ gelungen sei, „seinen Konzern auch im schwierigen wirtschaftlichen Umfeld auf Kurs zu halten“. Eine „glückliche Hand“ habe der „Zeitungskönig“ auch bei seinem Engagement in Mitteleuropa gezeigt. Ein Liebesbrief, sozusagen von Braut zu Bräutigam.

Aus Verhandlungskreisen ist zu hören, Michael Ringier fordere einen Sitz im Aufsichtsrat. Tatsächlich hätte Friede Springer durchaus nichts dagegen einzuwenden, wenn ein neuer Aktionär strategische Interessen wahrnehmen und maßgeblichen Einfluss gewinnen würde – solange er dieselben Interessen wie Springer verfolgt und kein Wettbewerber ist. Bei Ringier scheint Springer überzeugt zu sein, sich keinen Störenfried ins Haus zu holen. Friede Springer wäre zu Zugeständnissen bereit.

Die WAZ kolportiert, dass Ringier nicht über das Kapital verfüge, um die 40 Prozent von Kirch zu übernehmen. Durchaus finanzierbar wäre das beispielsweise durch eine Überkreuzbeteiligung: Friede Springer will ja bekanntlich fünf Prozent mehr Anteile, um ihren Einfluss abzusichern. Auch Axel Sven Springer hat signalisiert, Anteile zukaufen und mehr Einfluss gewinnen zu wollen. Zudem könnte auch mit einem neuen Aktionär ein Teil des Aktienpakets an die Börse gebracht werden. Der zum Verkauf an den neuen Aktionär stehende Anteil würde damit weit unter 40 Prozent liegen und folglich weniger kosten als die im Raum stehende Summe von einer Milliarde Euro. Zudem würde eine Überkreuzbeteiligung bedeuten, dass Springer bei Ringier einsteigt – viel Geld müsste also gar nicht fließen.

Die Historie der Ringier AG, dem größten Medienunternehmen der Schweiz, beginnt 1831 mit dem Pfarrerssohn Johann Rudolf Ringier. Der Verlag ist also tief in der Schweiz verwurzelt. Und dennoch international ausgerichtet. In Deutschland allerdings hat Ringier sein bereits zuvor eingeschränktes Engagement 2001 beendet, als er das Reisemagazin „Globo“ einstellte.

Michael Ringier liebt das Mittelmaß nicht. Die Schweizer Strukturen hält er für verkrustet, die Schweizer Medien für zu betulich, zu wenig innovativ. Auch seine Mitarbeiter sucht er sich gern im Ausland. Schweizer Journalisten mögen ihn daher nicht besonders, das wurde bei der von vielen Schweizer Medien verurteilten Enthüllung der angeblichen Sex-Affäre von Ex-Botschafter Thomas Borer-Fielding mehr als deutlich. Sie waren sich einig: typisch deutscher Skandaljournalismus – kein Wunder, da Ringier doch deutsche Journalisten den Schweizern vorzieht.

Michael Ringier strebt nach Marktführerschaft, nach Qualität, nach Internationalität. Neben Springer wirkt die Ringier AG wie ein Zwerg, der niemandem Angst macht. Ein Zwerg, der nach Größe strebt.

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