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Medien: Vertrieben, verdreht

Rüdiger Schaper über die Renaissance eines Begriffs

Ein Thema kommt wieder. Nein, es ist schon da. So massiv wie unverhofft. Zwei Ausstellungen in der Hauptstadt, eine seltsame bis skandalöse Rede in Weimar, und am Sonnabend wird Bundespräsident Horst Köhler dazu sprechen: auf dem „Tag der Heimat“ im Berliner ICC. Über den öffentlichen Gebäuden wehen dann Flaggen: nationaler Gedenktag. Der inzwischen verstorbene SPD-Politiker Peter Glotz und Günter Grass haben vor ein paar Jahren publizistisch die Geschichte der Vertriebenen wiederbelebt. Damals war noch nicht zu ahnen, welch eine Renaissance da auf uns zurollt, im „Krebsgang“. Bis dahin konnte man die Heimattreffen als anachronistisch-folkloristische Veranstaltungen abtun. Jetzt strahlen sie aus. Was aber heißt heute: vertrieben? Sind nicht all jene, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus dem Osten fliehen mussten und Schreckliches erlebt haben, längst in der deutschen Gesellschaft angekommen, bis in höchste politische Ämter? Welcher geistige, moralische, emotionale Boden wäre anno 2006 wieder gutzumachen? Günter Nooke, Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, verteidigte die plötzlich so gefragte Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach gegen Kritik aus Polen mit dem Satz, den polnischen Medien drohe eine „regelrechte Gleichschaltung.“ Die Entgleisungen häufen sich. Ein zutiefst irritierender Streit um Erinnerungshoheit beginnt. Im Zentrum der Vertreibung: die Deutschen?

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