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Mit Berufsverbot belegt: Der iranische Regisseur Jafar Panahi.

© Arte

Videotagebuch von Regisseur Jafar Panahi: Der Film, der keiner sein darf

Er darf eigentlich keine Filme mehr drehen. Doch mit einem Kniff behilft sich der preisgekrönte iranische Regisseur Jafar Panahi und schafft ein einzigartiges Zeugnis über die Unterdrückung von Kreativität.

Der preisgekrönte iranische Regisseur Jafar Panahi darf , aber er hat eine Idee. Er schildert in seiner Wohnung in Teheran Szenen eines Drehbuchs, das von den Zensoren des Regimes abgelehnt wurde. Es handelt von einem Mädchen, das studieren möchte, doch seine Eltern verbieten es und sperren die Tochter in ihrer Wohnung ein. Panahi klebt mit Kreppband auf seinem Wohnzimmerteppich die Umrisse der Wohnung ab, legt sich in das imaginäre Bett des Mädchens, redet über Kameraperspektiven und Dialoge, reflektiert mithilfe von DVDs seiner früheren Filme die eigene Rolle als Regisseur. So entstehen beim Zuschauen des Films, der keiner sein darf, im Kopf Bilder von einem Film, den es nicht geben darf. Ein gelungener Kniff mit bescheidenen Mitteln. Doch das hier ist keine cineastische Spielerei, sondern aus der Not geboren. Zwischendurch bricht Panahi verzweifelt ab. „Wenn wir einen Film erzählen können, warum dann noch einen Film drehen?“, fragt er.

Der 51-jährige Panahi, für „Offside“ bei der Berlinale 2006 mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet, saß zeitweise in seiner Heimat im Gefängnis und wurde mittlerweile in zweiter Instanz zu sechs Jahren Haft und 20 Jahren Berufsverbot verurteilt. Sein Jurystuhl bei der Berlinale 2011 blieb demonstrativ leer, doch bisher fruchteten alle internationalen Proteste nicht. Während er im März 2011 noch auf die Entscheidung des Berufungsgerichts wartete, drehten er und sein befreundeter Dokumentarfilmer Mojtaba Mirtahmasb eine Art Videotagebuch. Panahi gab ihm einen Titel voll bitterer Ironie: „Dies ist kein Film“. Diese 75-minütige Reflexion der eigenen Lage wie der Situation im Iran wurde mittels eines im Kuchen versteckten USB-Sticks außer Landes geschmuggelt und erstmals bei den Filmfestspielen in Cannes 2011 gezeigt. Auf ganz unspektakuläre Art ist „Dies ist kein Film“ ein einzigartiges Zeugnis über die Unterdrückung von Kreativität – und wie sie sich, allen Repressionen zum Trotz, dennoch Bahn bricht.

Panahi, zum Nichtstun verdammt, telefoniert viel, mit seiner Familie, Freunden oder der Anwältin. Er frühstückt, surft im Internet oder erschrickt über die Fernsehbilder vom Tsunami in Japan. Für exotische Momente sorgt Igi, das eigentümliche Haustier mit den langen, scharfen Krallen. Komisch ist die Episode mit der (unsichtbaren) Nachbarin, die ihren Hund gerne für eine Weile loswerden möchte, was nicht mal eine Minute lang gut geht. Doch obwohl fast ausschließlich die Wohnung Schauplatz des Films ist, versteht es Panahi immer wieder, die Stimmung in Teheran miteinzubeziehen: Durch das Telefonat mit einem Freund, der in eine Polizeikontrolle gerät. Durch den Blick vom Balkon auf das Häusermeer und den bedenklich nahe am Haus vorbeischwenkenden Baukran. Durch den Lärm, das Echo einer unruhigen Stadt, in das sich Schüsse und Explosionen zu mischen scheinen – was sich als Feuerwerk zum Neujahrsfest entpuppt.

Drinnen wirkt Panahi wie ein Ausgeschlossener, und genau das ist er ja auch. Doch am Ende findet der Regisseur einen Weg hinaus, eine harmlose Alltagsbegegnung wird zu einem symbolischen Befreiungsakt. Im Aufzug begleitet er, mit der Kamera in der Hand, einen aufgeschlossenen jungen Mann, der den Müll einsammelt. Und so entspinnt sich, Stockwerk für Stockwerk, ein Gespräch über Familie, Studium und Arbeit. Unten auf der Straße brennen Feuer. Ob es nur Freudenfeuer zu Neujahr sind, weiß man nicht. Panahi dreht noch für ein paar Sekunden, aber einfach nur so, denn „Dies ist kein Film“ ist ja kein Film.

„Dies ist kein Film“; Arte, 23 Uhr 10

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