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Medien: Vorsicht? Friedman!

Wie kommt der gefallene Moralist dorthin, wohin er zurück möchte – ins deutsche Fernsehen?

Michel Friedman ist zurück. Zunächst in der Privatvilla von Regina Ziegler, der Berliner Film- und Fernsehproduzentin, die am Montagabend eine Party extra für ihn veranstaltete. Ein Treffen zur „Wiederaufnahme unterbrochener Kontakte im engsten Freundeskreis“, so beschrieb es ein Teilnehmer. Feinste Berliner Gesellschaft war zu Gast, mancher Geladene kam aber auch nicht: wie Paul Spiegel, Vorsitzender des Zentralrates der Juden in Deutschland.

In den Party-Rubriken der Prominenten-Blätter, von denen Friedman früher so oft lächelte, wird man Bilder von dieser Einladung wohl vergeblich suchen. „Wie Sie wissen, ist Michel Friedman ein langjähriger Freund von Wolf Gremm und mir, und in diesem Sinne handelt es sich nicht um eine Society Party, sondern ein Treffen unter Freunden“, erklärte Regina Ziegler; Michel Friedman arbeitet außerdem als Justiziar der Ziegler Film GmbH.

Was damit immer noch aussteht, das ist Friedmans „Sichtbarmachung“, der öffentliche Friedman. Und natürlich auch seine Rückkehr ins Fernsehen, denn dorthin, sagen zumindest seine Freunde, wolle er auch unbedingt zurück.

Und vielen fehlt er auch im Fernsehen, vielen fehlt die Pointierung, fehlen die unterschiedlichen Farben in den Talksendungen im Ersten. Beckmann, Maischberger, Bauer, das ist eine Kooperative für freundlichen bis soften Austausch, vorzugsweise mit prominenten Mitmenschen. Die Abfolge Beckmann – Biolek – Friedman stand für drei vollwertige Marken: Cool – warm – kantig. Jetzt gibt es drei Teilmarken. „Menschen bei Maischberger“ ist dann die Verdoppelung von „Beckmann“; eine konzeptionelle Differenzierung zwischen dem ARD-Montag und dem ARD- Dienstag existiert nicht, und hinter dem Mehrwert des ARD-Mittwochs mit „Gabi Bauer“ steht ein großes Fragezeichen.

Gewollt war das alles so nicht. Als Michel Friedman über Kokain und Prostituierte stolperte, konnte, musste Gabi Bauer einspringen, vom zweiwöchentlichen ging’s zum wöchentlichen Auftritt. Der Produzent für „Gabi Bauer“ wurde ausgetauscht und die Anlage der Sendung verändert: Statt eines Gastes zwei Gäste, die sich zu einem gesetzten Thema unterhalten und von der Talkmasterin ablenken sollen.

Auch eine andere Variante war im Gespräch: Die Konkurrenten von Norddeutschem Rundfunk (verantwortlich für „Beckmann“) und Westdeutschem Rundfunk („Menschen bei Maischberger“) tragen die Talkshow-Frage unter sich aus: Montag und Mittwoch hält Beckmann Hof, Dienstag und Donnerstag bittet Maischberger in den „Tränenpalast“. Damit wäre eine mit der „Johannes B. Kerner“-Leiste vergleichbare ARD-Leistung gegeben. Der Donnerstag-Termin war für den WDR bei den übrigen ARD-Anstalten aber nicht zu kriegen.

Struve, der Meister der Camouflage, sagt: „Was auch immer, ich rede nur über Programme, die wir haben.“ Für andere Programme, sagt er, sei er „im Kopf nicht so beweglich“. Struve wartet. Nach seiner Aussage startet im Oktober die Quotenmessung für „Gabi Bauer“, drei Monate werde sie dauern. Jetzt, in der wöchentlichen Frequenz, habe die ARD-Talkerin „eine faire Chance, die sie auch verdient“. Wann sie diese verwirkt, das sagt Struve nicht. Andere behaupten, die Sendung am Mittwoch müsse neun Prozent Marktanteil holen, im Falle, dass diese Quotenlatte gerissen werde, werde „Gabi Bauer“ Ende Mai auslaufen.

Kommt dann Friedman oder ein Doppelgänger oder ein Hard-Talker mit vergleichbar aggressivem Biss? Auf jeden Fall einer oder eine, mit deren Fernsehpräsenz das politische Gewicht, das der „Informationssender Nummer eins“ (O-Ton ARD) auf die publizistische Waagschale bringen will, wieder verstärkt werden kann. Friedman, der aus eigenem Verschulden gestürzte Moralist, muss zunächst einmal mit viel Fingerspitzengefühl in die Öffentlichkeit zurückgebracht werden: Wann, wo, wie, von wem? Die Party von Regina Ziegler ist schon mal ein erster Schritt.

Der Hessische Rundfunk, der „Friedman“ im Ersten produzierte, zögert noch. Sprecher Michael Dartsch sagte, es werde noch in diesem Herbst ein Gespräch zwischen dem Intendanten Helmut Reitze und Michel Friedman geben. Inhalt: Fortsetzung von „Vorsicht! Friedman“ im hessen fernsehen – ja oder nein? Von „Friedman“ sagt er gar nichts. Ein Termin, so Dartsch, stehe noch nicht fest, allein der Intendant entscheide.

Dass Reitze und Friedman nach dessen Entschluss, die Moderation im Dritten ruhen zu lassen und im Ersten aufzugeben, keinen Kontakt mehr hatten, wollte Dartsch „nicht interpretieren“. Es gebe keinerlei Vorentscheidungen und keinerlei Optionen. Die Seismografen in der ARD registrieren jede noch so feine Erschütterung, die eine Äußerung von oder zu Friedman auslöst.

Manfred Krupp, er ist Fernseh-Chefredakteur beim HR, hat eine „Platzhalter-Strategie“ entwickelt. Am Dienstag, auf dem einstigen Sendeplatz von „Vorsicht! Friedman“, ist „kein neues Format gesetzt worden, dort wiederholen wir Dokus, die bereits in der ARD gelaufen sind.“ Sollte die Diskussionsrunde wieder ins Programm genommen werden, seien der Sendeplatz und der Etat gegeben. Als Argumente, die in die Ja-oder-Nein-Diskussion einfließen, nennt Krupp folgende: „Wie hat sich Michel Friedman verändert, wie hat sich das öffentliche Bild seiner Person verändert, wie reagiert das Publikum?“ Noch gebe es „ein publizistisches Restrisiko“, noch laufe in Berlin der Prozess um die ukrainische Mädchenhändlerbande. Zwar erwartet Krupp hier „keine Durchstechereien zur Person Michel Friedman“, trotzdem lautet die Tagesparole in der HR-Spitze in Frankfurt am Main: Zeit und Abstand gewinnen.

Klar ist, dass eine bloße Wiederaufnahme der Diskussionsrunde aus einem Gastgeber Friedman und bis zu vier Gästen nicht möglich ist. „Wir müssten uns dann zusammensetzen, wie das Format neu justiert werden kann.“ Bei der gleichbleibenden Forderung, dass dort, wo „Friedman“ draufsteht, auch Michel Friedman drin sein muss. Der HR, der im Mittelfeld der ARD unauffällig mitspielt, könnte eine Attraktion noch verkraften.

Die Sehnsucht nach dem Talkmaster Friedman, die gibt es allenthalben. Dessen Sende- Formel von der „Kontroverse in der Konsensgesellschaft“, die gilt weiter, aber sie werde „nicht angewandt im aktuellen Fernsehen der Kuschelprogramme“, sagt Krupp. Ob der HR-Mann für den Fall, dass Friedman nicht auf den Bildschirm zurückkehren kann, dann eine ähnlich profilierte Persönlichkeit in Deutschland herumlaufen sieht? Krupp schweigt und sagt dann: „Eigentlich gibt es nur einen, der so polarisieren kann – Dieter Bohlen.“ Sagt’s, lacht und schiebt dann noch einen Namen nach – Henryk M. Broder.

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