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Medien: Was kleben blieb

„Menschen, Bilder, Emotionen“ und ein Kaugummi: Günther Jauch resümiert das Jahr 2006

Man versäumt ja so viel im Lauf eines Jahres. Und kriegt gar nicht mit, in was für Gefahren die Nation geschwebt hat. Da ist es nur gut, dass es den Jahresrückblick auf RTL gibt. Ein festlicher Abend am zweiten Advent, live mit Riesenpublikum, und schon haben wir den Stoff für unseren Erinnerungsspeicher, Fach 2006.

Dieses Jahr wirft allerdings keine großen Schwierigkeiten auf bei der Frage, was gezählt hat. Da war die WM, die WM und schließlich die WM. Und so begrüßt Moderator Günther Jauch die Fußball- Helden Miroslav Klose, Lukas Podolski und Philipp Lahm in Person, Jens Lehmann auf dem Zuschaltschirm und auf der Bühne dann noch Kevin Heese, den zwölfjährigen Überbringer eines Kaugummis an den Torwart. Das hatte man in der Tat nicht mitgekriegt, dass da ein Kaugummitransfer stattgefunden hatte und dass Lehmann dem Knirps einen Dankesklaps gab; aber jetzt ist man im Bilde. Kevin hat das Kaugummipapier aufgehoben und gerahmt. Nicht mal für 50 Euro wollte er es Jauch verkaufen. Bei 150 aber wurde er schwach.

Außer der WM gab es 2006 das Fernsehen, besonders RTL. Und darin das „Wer wird Millionär“-Duell zwischen Horst Schlämmer und Stefan Lang. So konnte der Moderator sich mit seinen Kandidaten per Einspielrückblick ins eigene Gesicht sehen, was wichtig ist für die Selbstkritik. Sieger übrigens wurde Lang. Er schaffte die Million, Schlämmer bloß die Hälfte. Diese Witzfigur („Weißtu Bescheid, Herr Jauch“), kreiert von Hape Kerkeling, saß sozusagen undercover dabei. Jauch war sich sicher, dass jeder wüsste, wer dahintersteckte; aber für alle Fälle kam Kerkeling dann noch mal in Zivil und wunderte sich gemeinsam mit dem Gastgeber, dass sein Buch über eine Pilgerreise zum Bestseller des Jahres werden konnte. Daneben sieht Gerhard Schröder mit seinen Memoiren aber alt aus. Der war nur eine Woche auf Platz eins.

Das Fernsehen sendete ja auch Berichte über die Weltlage, so zum Beispiel über den Krieg in Nahost. An dessen Anfang stand bekanntlich die Entführung zweier israelischer Soldaten, was ist mit ihnen geschehen? Man weiß es immer noch nicht. Die Ehefrau des einen, des Ehud Goldwasser, reist auf der Suche nach einem Lebenszeichen um die Welt und sitzt jetzt bei Jauch, der ihr wünscht, „dass Sie bald wieder ihren Mann bei sich haben“. Es passierten noch mehr ernste Zwischenfälle. Aber nicht alle konnten im großen Rückblick nachinszeniert werden, andererseits will man keinen unterschlagen. So erfand man die Rubrik „Bilder des Jahres“, in der die Katastrophen im Sekundentakt Revue passierten. 2006 waren das die Kofferbomber, der Ärztestreik, die Vogelgrippe, Problembär Bruno und Klinsmanns Rücktritt. Auf die Bühne zu Jauch geschafft hat es aber doch die Familie Ahrens aus Hamburg. Sie überlebte, mit Katze, einen Wohnungsbrand. Von irgendwoher kam eine Kamera dazu, und so landete die Beinahetragödie im Fernsehen und dann noch mal im Rückblick. Zu Frau Ahrens sagte Jauch den Satz, der wie ein 2006-Fazit klang: „Das ist richtig gut ausgegangen, wenn man die Dramatik dieser Bilder betrachtet.“

Für einen guten Ausgang spricht noch mehr. „Take That“ hat sich wiedervereinigt. „Tokio Hotel“ gewinnt Preise. Und in dem Gespensterfilm „Hui Buh“ spielen Christoph Maria Herbst und Bully Herbig mit. Die beiden kamen auch zu Jauch, maskiert und zu Späßen aufgelegt. „Wovor haben Sie sich früher gegruselt?“ wollte Jauch von Herbst wissen. „Was heißt früher?“, erwiderte Herbst und gab zu verstehen, dass er sich jetzt vor Jauch fürchte. Aber das war natürlich ein Scherz.

Bleibt nachzutragen, was es mit dem Kaugummi auf sich hatte, den Jens Lehmann mitten im Match unbedingt zu brauchen schien. Er hat es durchgekaut und in den Handschuh geklebt, damit der Ball besser dran haftet. Echt, hat er selbst so gesagt. War das auch ein Scherz? Vielleicht nicht. Es hat eben jeder so seine Tricks, um einem guten Ausgang nachzuhelfen.

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