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Medien: Wettlauf mit dem Virus

RTL2 zeigt die dritte Staffel der preisgekrönten Echtzeit-Serie „24“

Von Barbara Nolte

Diesmal ist es ein Virus. Hoch ansteckend. Hunderttausend Infizierte in zwei Tagen. Ein mexikanischer Drogenbaron will mit der Drohung, in Los Angeles eine verheerende Epidemie auszulösen, seinen Bruder aus dem Gefängnis freipressen. Jack Bauer, gespielt von Kiefer Sutherland, muss um das Leben von Millionen von Menschen rennen, schlagen, schießen, foltern. Er hat 24 Stunden Zeit, wie schon in der ersten Staffel der Serie „24“, in der er ein Attentatskomplott auf einen Präsidentschaftskandidaten aufdeckte. Und wie in Staffel zwei, als er eine Atombombe suchen musste. Die Serie zeigt jede Sekunde von Bauers Irrsinnsjob, eine Folge jeweils eine Stunde. Die Echtzeit ist das Merkmal von „24“. Die unerbittlich verrinnende Zeit, die die Handlung voranpeitscht. Die Echtzeit ist der Clou der Serie und auch ihr Problem, wie sich besonders bei der dritten Staffel zeigt, die RTL2 von heute an ausstrahlt.

So gibt es an dieser Stelle keine Hymne zu lesen, wie sie die deutschen Zeitungen zur Ausstrahlung der ersten und zweiten Staffel schrieben. Und wie sie die US-Fernsehkritiker auch zur dritten Staffel wieder anstimmten. „24“ erhielt erneut vier Emmys und einen Golden Globe.

Spannend ist „24“ auch diesmal. Aber die Spannung läuft jetzt manchmal leer. Die Handlung macht wieder alle möglichen Volten. Muss sie auch, sonst wäre „24“ nach einer Spielfilm-Länge von zwei Stunden vorbei. Die Drehbuchautoren hatten offenbar wieder den Ehrgeiz, die Serie mit allen denkbaren Cliffhangern zu spicken. Eine Spielerei, aber auch ein nötiges Ablenkungsmanöver, denn „24“ erfüllt eine zentrale Regel des Drehbuchschreibens eben nicht: Eigentlich müssen die Figuren in einem Film eine persönliche Entwicklung durchmachen. Nur: In 24 Stunden entwickelt sich kein Mensch. Schon gar nicht, wenn er gleichzeitig die Welt retten muss.

So können sich in „24“ nur die Umstände ändern, mit denen eine Figur umgehen muss. Jack Bauer bricht in dieser Staffel mit den Kollegen, die ihn in seinen Ermittlungen behindern, wird selbst zum Gejagten und kehrt, so ist jedenfalls zu erwarten, wieder in den Schoß seiner Anti-Terror-Einheit zurück. Ganz ähnlich war es in Staffel eins. Auch dieses Mal gibt es Verräter innerhalb der Spezialeinheit. Selbst der Präsident, der, so das „24“-Ritual, immer in Gefahr ist, hat wieder eine dubiose Frau an seiner Seite.

So wendig die Handlung im Kleinen ist, so berechenbar sind ihre großen Linien. Die „24“-Staffeln sind wie Kartoffelchips, die es in verschiedenen Geschmacksrichtungen gibt, aber immer fast gleich schmecken. Man kann trotzdem nicht aufhören, isst noch einen und noch einen.

„24“ entfaltet auch in der dritten Staffel einen Sog, der die Serie zum begehrten Gut in Videotheken macht. Im Fernsehen bringt die kontinuierliche „24“-Handlung den Programmplanern Probleme. Wenn Zuschauer eine Folge verpassen, steigen sie oft aus. Deshalb ist der Ruhm der Serie viel größer als ihre Quote. Für die zweite Staffel wollten die Produzenten die Serie auf 24 in sich abgeschlossene Folgen umstellen; Bauer sollte in jeweils einer Stunde die Menschheit retten. Doch die Drehbuchautoren waren dagegen und setzten sich ausnahmsweise durch.

RTL2 änderte von Staffel zu Staffel den Rhythmus der Ausstrahlung. Erst zeigte der Sender die Serie drei Mal in der Woche, später nur noch einmal eine Doppelfolge. Von der Quote her, kam es aufs Gleiche heraus: Durchschnittlich 1,5 Millionen sahen zu. Jetzt, bei der dritten Staffel, sendet RTL2, ganz klassisch, eine „24“- Folge pro Woche. Jack Bauers „längster Tag“ dauert deshalb bis zum Sommer. Die Zuschauer, so hoffen die Programmplaner, merken sich mit der Zeit den Sendeplatz: Der Mittwoch soll auf RTL2 zum „24“-Tag werden. Ist die Staffel zu Ende, werden die ersten beiden zur gleichen Zeit wiederholt.

In den USA läuft am Sonntag die vierte Staffel an. Fast alle Figuren wurden ausgetauscht. Außer Jack Bauer natürlich. Bauer ist unersetzlich. Kiefer Sutherland hat ihn wohl zum prominentesten Agenten der Gegenwart gemacht, zu einer Art modernen James Bond, für den keine Regeln gelten. Mit einem Unterschied, dass ihm die Leichen, die seinen Weg pflastern, zu schaffen machen. Zu Beginn der zweiten Staffel hatte er Depressionen, in der dritten ist er heroinabhängig. Jack Bauer muss nicht nur gegen reiche, böse und technisch hoch gerüstete Männer kämpfen, sondern auch noch gegen sich selbst.

Kiefer Sutherlands neue Mitspieler sollen dem starren Formkorsett wieder Leben einhauchen. In diesem Jahr werden außerdem 24 Kurzfolgen für UMTS- Handys gedreht. Dort ist die Serie, wozu sie schon in der dritten Staffel mehr und mehr wird: ein Gimmick.

„24“: Mittwoch, RTL 2, 22 Uhr 10

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