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Medien: „Wir berichten live über das Ende der Welt“

n-tv wird 15: Carola Ferstl und Manfred Bleskin sind seit Anfang dabei. Ein Gespräch über leere Blätter, verbrannte Aktien, rote Gesichter

Frau Ferstl, wo waren Sie am Abend des 30. November 1992?

Ich war in der Taubenstraße, im n-tv-Gebäude und habe gesehen, wie der damalige Postminister Christian SchwarzSchilling den Startknopf gedrückt hat. Ins Festzelt konnten wir ja nicht hinein, weil wir gearbeitet haben.

Und Sie, Herr Bleskin?

Ich habe auch gearbeitet, beim damaligen privaten Inforadio. Wir haben mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass ein News-Fernsehen entsteht. Man empfand eine gewisse Sympathie für das Projekt. Carola kannte ich ja schon, sie hatte beim Inforadio ein Praktikum gemacht.

Was hat Sie beide an n-tv so überzeugt, dass Sie dorthin gegangen sind?

FERSTL: Ich war in der Endphase meines Studiums und suchte einen Job. Den hat mir dann n-tv-Gründer Karl-Ulrich Kuhlo angeboten. Also nichts mit der schon geplanten Reise nach Südamerika, sondern Arbeit in Berlin. Wir sind mit jugendlichem Spaß, aber auch mit Selbstbewusstsein gestartet.

BLESKIN: Beim Inforadio zeichnete sich das Ende ab. Ich hatte nie die Absicht, mich vor eine Fernsehkamera zu setzen. Ich wollte Reporter sein. Dass ich dann Moderator wurde, hat sich so ergeben.

Hat sich bei n-tv erfüllt, was Sie sich erträumt hatten?

FERSTL: Ich kann gar nichts anderes sagen, als dass sich meine Träume übererfüllt haben. Wer hätte gedacht, dass die Börse so ein Highflyer werden würde, oder dass wir mit Wirtschaftsnachrichten so einen Erfolg haben würden? Natürlich war es nicht jeden Tag sexy, im Schichtbetrieb zu arbeiten, im Studio zu stehen, aber es hat sich gelohnt.

BLESKIN: n-tv hat ein Publikum für sich gewinnen können, das politisch und ökonomisch interessiert ist. Dieses Publikum schaltet n-tv und nur n-tv ein, wenn etwas in der Welt passiert. Wir Journalisten müssen aus dem Stand heraus über Stunden live informieren können nur mit einem Blatt Papier in der Hand, auf dem manchmal ein einziges Wort steht, Irak oder Milosevic oder Madrid. Die Herausforderung und die Verantwortung, da nichts Falsches zu sagen oder zu senden, ist sehr groß. Nachrichten haben einen Stellenwert im deutschen Fernsehen bekommen. Das ist die Leistung von n-tv.

FERSTL: Das mit der besonderen Verantwortung haben wir aber erst mit der Zeit begriffen. Spätestens seit dem Börsencrash im Jahr 2000 wurde es uns ganz deutlich vor Augen geführt. Damals haben uns viele Zuschauer angerufen, „Ihr habt gesagt, wir sollen Aktien kaufen, wie konntet Ihr nur“. Die Begeisterung hatte alle erfasst – auch wir waren nicht frei davon. Heute sagen wir uns: Wir haben jeden Tag von Neuem einen pädagogischen Auftrag. Wir müssen die Leute in Finanzdingen ausbilden. Wir sind alles andere als MTV für Wirtschaftsjunkies.

n-tv soll nur einmal, im Börsenboom-Jahr 2000, schwarze Zahlen geschrieben haben. Belastet Sie das?

BLESKIN: Wir tun unsere Arbeit nicht in Abhängigkeit von der finanziellen Situation des Senders. Alle Anteilseigner haben aber immer wieder gesagt, n-tv sei zu wichtig im Informationssystem der Bundesrepublik Deutschland, als dass der Sender vom Bildschirm verschwinden dürfte. Das beruhigt dann ein bisschen.

FERSTL: Unsere Arbeit würde sich auch dann nicht wesentlich verändern, wenn alles aus Gold wäre. Die Stühle wären dann auch nicht weicher.

BLESKIN: Sag’ das nicht. Unsere neuen Stühle im Newsroom sind sogar noch weicher als die alten.

FERSTL: In 15 Jahren n-tv gab es jede Menge Aufs und Abs. Aber wir hatten immer das, was man Spirit nennt: Wir waren uns immer sicher, dass wir es schaffen würden.

BLESKIN: Nachrichtenfernsehen muss effizient gemacht werden. Wir sind in dieser Hinsicht die Avantgarde.

Womit kämpfen Sie derzeit am meisten?

FERSTL: Wir arbeiten daran, die Menschen zur Aktie zurückzuholen, Das ist leichter gesagt als getan. Das Thema „Aktie“ ist ein bisschen verbrannt.

BLESKIN: Ich setze bei meiner Altersversorgung auch nicht auf Aktien.

FERSTL: Weil du dich zu wenig auskennst.

n-tv ist 2004 von Berlin nach Köln umgezogen. Beeinflusst das Ihre Arbeit?

FERSTL: Die Wirtschaft, die Börse, vieles spielt sich in Frankfurt am Main ab. Da ist Köln sogar ein bisschen näher als Berlin.

Es gibt viele Informationskanäle im deutschen Fernsehen: n-tv, Phoenix, N 24, Euronews. All das wirkt mickrig im Vergleich zu internationalen Stationen wie CNN oder BBC. Ist Nachrichtenfernsehen made in Germany nicht klein-klein?

FERSTL: Warum sehen die Leute die „Tagesschau“? Weil sie ein deutsches Programm mit dem Schwerpunkt Deutschland wollen. Bitte übersehen Sie nicht: Die meisten deutschen Anleger haben vor allem deutsche Aktien.

BLESKIN: Der Anspruch bei CNN, Euronews und BBC World ist ein anderer. Aber auch da gibt es Schwerpunkte für Afrika, Asien, Europa. Die Heimat von n-tv ist der deutschsprachige Raum.

Herr Bleskin, Sie beherrschen fünf Sprachen. Wie wäre es mit n-tv auf Russisch?

BLESKIN: Spanisch oder Portugiesisch ginge es auch.

FERSTL: Eines meiner Bücher „Frauen sind die besseren Anleger“ erscheint gerade auf Russisch. Da kann ich dich ja mitnehmen, wenn es vorgestellt wird.

Wer könnte n-tv in Bedrängnis bringen? EinsExtra, ZDF Info, das Internet?

FERSTL: Mit dem Internet sind wir in der richtigen Spur. Wir haben die bewegten Bilder, die alle wollen, wir haben die Leute, die drehen und schneiden und texten können. n-tv.de ist supererfolgreich. Was läuft online denn am besten? Was dem TV mit seinen Bewegtbildern am nächsten kommt. n-tv, das Fernsehen, ist das Eingangstor für n-tv.de, das Internet. Mir ist es egal, aus welchem Fenster ich in die Welt gucke. Wichtig ist, was ich sehe.

BLESKIN: Was uns in Bedrängnis bringen kann? Das Ende der Welt vielleicht. Aber da wären wir auf jeden Fall live dabei.

Warum hat N 24, ihr jüngerer Konkurrent, n-tv in der Reichweite überholen können?

BLESKIN: N 24 hat zu bestimmten Zeiten des Tages einen anderen Zuschnitt, und das ist nicht unbedingt die Information. Was da manchmal nach 22 Uhr läuft, das treibt einem schon manchmal die Schamröte ins Gesicht.

Sie meinen „Die Sexualität des Menschen“?

FERSTL: Da reicht es bei n-tv doch schon, wenn Manfred Bleskin auf dem Schirm erscheint.

n–tv ist keusch, rein und seriös?

BLESKIN: Ja. Selbst unsere Reportagen haben eine zeithistorische, politische, wirtschaftliche Anbindung.

FERSTL: Man kann n-tv und N 24 nicht vergleichen, will man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Wir hätten höhere Quoten, wenn wir ein Mischprogramm machten wie N 24.

Herr Bleskin, Stefan Raab hat Sie als die „coolste Sau von n-tv“ belobigt. Hat das was gebracht?

BLESKIN: Ich werde um Widmungen für Abiturzeitungen gebeten. Mich sprechen junge Menschen auf der Straße an. Die Auftritte bei Stefan Raab haben sicher dazu beigetragen, die Akzeptanz von n-tv bei jungen Menschen zu erhöhen. Den Ausdruck als solchen finde ich nach wie vor nicht cool.

Frau Ferstl, Ihr schönster Moment?

FERSTL: Meine Interviews mit André Kostolany. Er war so süß, zauberhaft. „Wenn ich das nächste Mal komme, bringe ich Ihnen ein tolles Parfum aus Paris mit“, hat er gesagt. Mit 93. Und ich dachte mir: Was für ein Charmeur, die Börse muss ein Jungbrunnen sein. Auf das Parfum habe ich leider bis zu seinem Tod vergeblich gewartet.

Das Interview führten Thomas Eckert und Joachim Huber.

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