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Hexe? Johanna (Silke Bodenbender) wird wegen ihres Berufs als Apothekerin verhaftet. Schon ein Leberfleck genügt als Beweis.

© ZDF

ZDF-Drama "Die Seelen im Feuer": Eiskalte Scheiterhaufen

Leberflecke als Beweis, gebrochene Arme, Hinrichtung durch Verbrennen: Das Drama "Die Seelen im Feuer" widmet sich der Hexenverfolgung. Anstatt orgiastische Bilder zu zeigen, bemüht sich der Film aber um die Entmystifizierung des Themas.

Wenn die Scheiterhaufen im deutschen Fernsehen lodern, kann sich das lüsterne Zuschauergemüt meist aufwärmen: Flamme empor, wohliger Trost – ist doch schon so lange her.

Es geht auch anders. Die Drehbuchautoren Anette Hess und Stefan Kolditz haben nach einem Roman von Sabine Weigand eine Geschichte für das Zweite geschrieben, die das Thema Hexenwahn entmystifiziert und stattdessen als abgefeimtes Spiel geldgieriger Mächtiger darstellt. Regisseur Urs Egger und Kameramann Holly Fink vermeiden Bilder von orgiastischen Gewaltausschweifungen, so gut es eben geht, um die Zuschauer nicht zu lodernder Identifikation mit den Aggressoren zu veranlassen.

Wenn der in Wien erfolgreiche Arzt Cornelius Weinmann (Mark Waschke) in seine Heimatstadt Bamberg reitet, um sich von seinem sterbenden, ungeliebten Vater zu verabschieden, herrscht mitten im Sommer Kälte. 1630 war der Höhepunkt der kleinen Eiszeit, Schnee im Juni, erfrorenes Getreide, Missernten. Die Glaubenswelt ist durcheinander. Der Dreißigjährige Krieg tobt. Die lokalen Mächte, unter ihnen der Bamberger Fürstbischof Fuchs von Dornheim (Paulus Manker) und sein religiöser Scharfmacher Weihbischof Förner (Alexander Held), betreiben die gottlose steuerliche Ausbeutung der verarmenden Bürger.

Arzt Cornelius erlebt die Hexenverfolgung gleich zwei Mal

Arzt Cornelius, eine fiktive, aber historisch passende Figur, hat bereits in seiner Jugend den Wahnsinn der Hexenverbrennung erlebt. Seine Mutter starb auf dem Scheiterhaufen, sein Vater passte sich an, seine frühe Liebe Johanna (Silke Bodenbender) musste er auf der Flucht ins liberalere Wien zurücklassen. Nun, bei seiner Rückkehr nach Bamberg, begreift er, dass sich seit seiner Jugend nichts in der Stadt geändert hat. Mit seiner wissenschaftlichen Überlegenheit gegenüber dem Aberglauben ist es bald vorbei. In seiner Heimatstadt bricht eine neue Welle der Hexenjagd aus. Johanna, die als Apothekerin arbeitet, wird beschuldigt. Ehe Cornelius es sich versieht, ist er in die Verfolgungsmaschinerie eingebunden.

Hexenkommissar Herrenberger (Axel Milberg) betreibt professionellen Mitbürgermord. Ist ein Unschuldiger „besagt“ worden – wobei jeder Stadtbewohner, rachsüchtig, hysterisch oder neidisch, als Denunziant recht ist –, läuft das Verfahren nach festem Schema ab: Erst müssen sich die Angeklagten nackt ausziehen und werden nach Teufelsmalen auf der Haut abgesucht. Jeder noch so harmlose Leberfleck dient als Beweis. Anschließend werden die Daumen gebrochen. Wenn das nicht reicht, geht es zum Rücken- und Armebrechen aufs Rad. Der Tod auf dem Scheiterhaufen ist sicher, denn niemand übersteht die Tortur. Selbstbezichtigungen, Beschuldigungen von Unschuldigen – alles unmenschlich herausgepresst und nichts als Lüge.

Der Täter ist der Staat, die Priester nur fanatisierte Helfer

Der Täter ist der Staat, fanatisierte Priester sind seine ideologischen Helfer. Große Gelehrte wie Thomas von Aquin haben den Hexenwahn gerechtfertigt. Luther glaubte fest an Hexen, wie die im Anschluss an den Film laufende Dokumentation zeigt. Als Vollstrecker des Wahnsinns unterschieden sich Protestanten und Katholiken in nichts. Erst 1775 wurde die letzte Hexe in Deutschland hingerichtet.

Cornelius muss Johanna retten - mit einem Plädoyer beim Kaiser

Das eindrucksvolle Historiendrama zeigt den Zusammenbruch des fanatischen Systems in Bamberg. Cornelius flieht nach Wien und erreicht dort mühsam Gehör beim Kaiser. Dieser erregt sich weniger über die Brutalität des Geschehens als vielmehr über die Plünderei des Fürstbischofs Fuchs von Dornheim, der das Geld aus den Verbrechen in seine eigene Schatulle wirtschaftet. Außerdem verfeinern sich langsam die Anforderungen der Rechtskultur. Die Hexenverfolgung mit ihren äußerst platten Grundlagen („Hexenhammer“) entspricht nicht mehr dem formalen Standard einer bürokratischen Zentralgewalt. Das Ideal der Humanität setzt sich zwar noch nicht ganz durch – aber bürgerliches Wirtschaftsstreben verträgt sich mit juristischer Berechenbarkeit wesentlich besser. Der Fortschritt erfordert Kühle, keine magischen Flammen.

Sein dramatisches Ende weist „Die Seelen im Feuer“ dennoch als Unterhaltungsfilm aus. Das Sendschreiben des Kaisers versetzt den Dornheim-Helfer Weihbischof Förner in teuflische Zuckungen. Darsteller Alexander Held beweist seine Klasse. Fuchs flieht mit der Kutsche, Hexenkommissar Herrenberger wittert neue Geschäfte in Süddeutschland. Cornelius rettet seine wiedergefundene Liebe Johanna.

Als Schlussbild sitzt das gerettete Paar auf dem Marktplatz. Es ist immer noch kalt. Happy Ends in anspruchsärmeren Filmen sehen glühender aus.

„Die Seelen im Feuer“, ZDF, 20 Uhr 15

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