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Medien: Zu kleines Format

Warum sich die rund 200 deutschen Lokalfernsehsender so schwer tun

Tobias Ufer sitzt gerade in der Maske. In wenigen Minuten geht „Rheinsport“ auf Sendung, ein Sport-Magazin für Köln. Der 27-jährige Nachwuchsmoderator kennt sich aus, er war selbst einmal Torwart bei der Jugend-Niederrhein-Auswahl. Seine Sendung ist live, sie ist der Tagesabschluss von Center TV, dem ersten Kölner Lokalfernsehsender. Danach gehen er und die 40 weiteren Mitarbeiter nach Hause, Feierabend, die Sendegeschäfte überlassen sie dem Computer. Der spult dann über Nacht zuverlässig sämtliche Konserven ab, mit denen er gefüttert wurde.

Seit Mitte Oktober sendet Center TV aus unmittelbarer Nachbarschaft von RTL via Kabel nach Köln und Umgebung. Der Sender ist das neueste Gewächs im Dschungel der rund 200 privaten Lokal-, Regional-, Stadt- und Ballungsraumsender. Wie viele es genau sind, weiß keiner, weil Sender starten, schließen, sich einen neuen Namen geben, um nach wenigen Monaten endgültig dichtzumachen. Das Hauptproblem sind die chronisch knappen Finanzen, weil die meisten noch nicht einmal ihre Kosten wieder einspielen: Von einem Drittel bis zu gut 90 Prozent Kostendeckung im Durchschnitt spricht das Institut Goldmedia Media Consulting & Research in einer Studie.

Knackpunkt Nummer eins sind die geringen technischen Reichweiten: Mancher Sender, wie das brandenburgische Eberswalde TV, kann höchstens von 10 000 Haushalten gesehen werden. Und auch die Großen wie FAB – Fernsehen aus Berlin und Hamburg 1 bringen es gerade auf zwei bis vier Millionen potenzielle Zuschauer. Das zweite Manko ist, dass zu wenig Geld durch Werbung reinkommt. Große Unternehmen werben bei den großen Sendern von ARD über RTL bis ZDF. Den lokalen Mittelständlern fehlt oft das Geld und nicht selten auch der Glaube an den Sinn von Fernsehwerbung im kleinen Stil. Staatliche Hilfe gibt es nur in Bayern und Sachsen. Aber die ist gering und schützt vor Insolvenz kaum, wenn die Bilanz im Ganzen nicht stimmt: TV München hat im April 2006 den Sendebetrieb eingestellt. Seinen Schwesterkanal TV Berlin riss er gleich mit, der darf aber weiter senden und wird saniert.

Noch vor zehn, fünfzehn Jahren prophezeite so mancher hervorragende Umsätze auf den regionalen Werbemärkten. „Ein Irrtum“, sagt Jürgen Heinrich, Medienökonom an der Uni Dortmund. „Die Konkurrenz der Etablierten ist zu groß und die mittelständische Wirtschaft zu unwillig, für Fernsehwerbung Geld auszugeben.“ Wenig Einnahmen, wenig Personal: Laut der Goldmedia-Studie kümmern sich im Durchschnitt nur ein bis zwei Mitarbeiter pro Sender darum, Werbung zu akquirieren. „Zu wenig“, sagt Heinrich.

Allein in Brandenburg senden 36 so genannte „Stadtkanäle“, die alle zusammen rund 600 000 Haushalte erreichen können: Regionalfernsehen Senftenberg, Neiße Welle Guben, Ruppin TV oder BF-TV (Bad Freienwalde). Potsdam TV ist der größte Kanal: Wortkarg gibt sich Geschäftsführer Dieter Resch ob der wirtschaftlichen Situation. Immerhin gehe es seinem Sender aber „gut“.

FAB ist der Senior unter den Privaten: Unter wechselnden Gesellschaftern sendet das Programm seit 1991. Chefredakteur Markus Zimmermann verweist auf ordentlich gebuchte Werbezeiten. Zimmermann sagt, dass so mancher Beitrag im Abend- und Nachtprogramm von Berliner Unternehmern gesponsort sei: Als Gegenleistung dafür, dass der Moderator während seiner Ansage vor dem gut sichtbaren Logo einer Tankstelle steht. Laut Medienrichtlinien ist eine solche Vermischung von journalistischen Beiträgen und Werbebotschaften verboten.

Einige Sender – Hamburg 1, aber auch FAB – nutzen mittlerweile eine Reihe legaler Strategien, wie sie an Einnahmen kommen können. Dank einer Mischung aus Werbespots, dem Verkauf von Sendezeiten an RTL-Shop und Sponsoring von Sendungen, hat Hamburg 1 2005 erstmals schwarze Zahlen geschrieben . Neue Geldquellen könnten auch Telefongewinnspiele oder SMS-Chats sein, empfiehlt die Goldmedia-Studie. Solche Formate sind natürlich nicht gut fürs Image.

Am Hauptproblem, der mangelnden Werbebereitschaft, wird weiter gearbeitet. Einige Sender organisieren sich in Netzwerken, um über das vergrößerte Sendegebiet auch für nationale Marken attraktiv werben zu können. „Viel rumgekommen ist dabei nicht“, sagt FAB-Chefredakteur Zimmermann: „Ein Spot in drei Monaten ist eine schwache Ausbeute.“

An solchen Netzwerken will sich Andre Zalbertus, der Geschäftsführer von Center TV, gar nicht erst beteiligen: „Ich konzentriere mich lieber auf Köln.“ Auf der Kostenseite will Zalbertus bescheiden bleiben. Während andere Sender in der Vergangenheit mit 30 Millionen Euro geplant haben, will er mit einem „einstelligen Millionenbetrag im Jahr“ auskommen. Helfen sollen ihm dabei seine Allroundreporter, die mit Videokameras losziehen und das Material am Computer später selbst schneiden. Auch FAB will demnächst nachziehen, allerdings mit Einschränkung: „Zum Termin mit Wowereit werden auch wir in Zukunft mit Kameramann und Redakteur gehen – das ist besser fürs seriöse Image“, sagt Chefredakteur Zimmermann.

Martin Benninghoff

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