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Medien: Zurück zu den Wurzeln

Die „Hörzu“ muss besser werden. Der Chef der „Welt am Sonntag“ soll’s richten

Erneut stehen bei zwei Titeln der Axel Springer AG Chefredakteurswechsel bevor. Wie vor wenigen Wochen bekannt wurde, bekommt die Boulevardzeitung „B.Z.“ im August mit Florian von Heintze einen neuen Mann an die Spitze. Nun korrigiert der Springer- Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner zwei weitere Personalentscheidungen aus der Vergangenheit. Am Donnerstagnachmittag informierte der Verlag die Redaktion der „Welt am Sonntag“, dass Chefredakteur Thomas Garms am 1. August nach Hamburg zurückkehren und die „Hörzu“ übernehmen wird. Der bisherige Chefredakteur Jörg Walberer verlässt Springer.

Unterschiedliche Auffassungen über die weitere Entwicklung der Programmzeitschrift hätten Springer zu diesem Schritt veranlasst, heißt es offiziell. Dass Jörg Walberer das Zepter bei dem Mecki-Traditionstitel „Hörzu“ abgeben muss, war seit längerer Zeit absehbar. Der 40-Jährige hatte die „Hörzu“ bei einer Auflage von 1,99 Millionen Exemplaren übernommen. Aktuell beträgt die Auflage 1,84 Millionen. Nun mag ein gewisser Auflagenrückgang einkalkuliert gewesen sein; Walberer sollte durch einen radikalen Wechsel des journalistischen Konzepts die 1946 gegründete „Hörzu“ nämlich für Anzeigenkunden attraktiver machen, selbst wenn dafür einige der betagten Leser vergrault würden. Doch zum einen verliert die „Hörzu“ mit ihrem Stars- und Sternchen-Konzept schon das fünfte Quartal in Folge heftig Anzeigen. Zum anderen wunderten sich nicht nur treue „Hörzu“-Leser über manche Ausgabe. Etwa über jene zu Ostern erschienene, die Roberto Blanco als lachendes Schokoladen-Osterei auf dem Titel zeigte. Auch die Editorials von Jörg Walberer waren sehr eigen. Sie animierten den Medienredakteur Stefan Niggemeier, der gerade der dritten Kündigungswelle bei der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zum Opfer fällt, zu einem langen Artikel. Darin amüsierte er die Branche mit vielen, vielen Zitaten der Walbererschen Editorial-Prosa.

Der studierte Ingenieur Walberer war vor seiner „Hörzu“-Zeit beim „Manager Magazin“ und in der Unternehmensentwicklung von Gruner + Jahr, bevor er 1998 Chefredakteur des Leutemagazins „Gala“ wurde. Zuletzt hat sich Walberer ins Gerede gebracht, als er höchstselbst und recht freundlich den jetzt in Untersuchungshaft sitzenden Hamburger Milliardär und Stadtkarten-Erben Alexander Falk interviewt hatte. Über Walberers Vorstandschef hörte man, er sei darüber nicht sonderlich amused gewesen.

Nun soll also Thomas Garms, 45, die „Hörzu“ retten. Garms ist ein erfahrener Magazinmann, der beim „Playboy“ und als Chefredakteur bei „Fit For Fun“ war, bevor er mit „Men’s Health“ ein ganz neues, und noch dazu erfolgreiches Zeitschriftgenre entwickelt hat. Von der „,Brigitte’ für Männer“ war damals die Rede. Doch Garms, der mit Mathias Döpfner einst gemeinsam zwei Bücher geschrieben hat (1984 „Erotik in der Musik“, 1986 „Neue Deutsche Welle“, beide im Ullstein-Taschenbuchverlag erschienen), beließ es nicht dabei, als Blattmacher von Lifestyle-Magazinen zu reüssieren. Döpfner machte ihn 2001 zum Chefredakteur der „Welt am Sonntag“.

Der Anfang war schwer. Ein prominenter Autor wie Klaus Bölling kehrte Garms den Rücken und bescheinigte ihm politische Unkenntnis. Wochenlang wurde Garms zum Gespött, weil er sein Haus in Rellingen bei Hamburg als „Immobilie der Woche“ angepriesen hat, wo in der „Welt am Sonntag“ doch sonst gern Paradiesschlösser auf exotischen Inseln mit eigenem See verkauft werden. Auch die Kunst, Geschichten zu inszenieren, wie es der Vorgänger Kai Diekmann beherrschte, war Garms’ Sache nicht. Der Drang, die „Welt am Sonntag“ kaufen zu müssen, schwand, zumal mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ ein neuer Konkurrent auf den Markt kam. 405 333 Exemplare verkaufte die „Welt am Sonntag“ im zweiten Quartal dieses Jahres – 16 384 weniger als vor einem Jahr. Die am Mittwoch veröffentlichte Mediaanalyse bescheinigte der „Welt am Sonntag“ eine Reichweite von 940 000 Lesern – 40 000 weniger als bei der letzten Erhebung.

Womit Garms nach dem Umzug der Redaktion von Hamburg nach Berlin, nach dem Stellenabbau und der Umstellung des Redaktionssystems zuletzt vorrangig beschäftigt war, war der Umbau der Redaktionsspitze. Er endete erst kürzlich mit der Auflösung des Parlamentsbüros und der Abberufung von Wolfgang Stock als Politikchef. Ersetzt wurde er durch Ralf-Georg Reuth.

Der von außen kommende Nachfolger von Garms ist bereits berufen, sein Name wird jedoch aus Gründen der Vertraulichkeit nicht genannt. Bis er sein neues Amt antreten wird, könnte es gar noch einige Monate dauern. Bis dahin bleibt Garms, der sich in der kommenden Woche der „Hörzu“-Redaktion vorstellen wird, offiziell auch Chefredakteur der „Welt am Sonntag“. Seine dort gewonnene Erfahrung mit einem „echten General-Interest- Titel“ sollen Garms dazu dienen, die journalistische Bandbreite der Programmzeitschrift zu erweitern.

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