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Medien: Zurückärgern

Joachim Huber freut sich auf eine scharfe Debatte über ARD und ZDF Am Anfang der vergangenen Woche sah es nach dem handelsüblichen Ritual aus. Ein paar Ministerpräsidenten meckern über die nächste Gebührenerhöhung für ARD und ZDF, ein paar Intendanten meckern zurück, dann ist Ruhe im Land und die Erhöhung beschlossen.

Joachim Huber freut sich

auf eine scharfe Debatte über ARD und ZDF

Am Anfang der vergangenen Woche sah es nach dem handelsüblichen Ritual aus. Ein paar Ministerpräsidenten meckern über die nächste Gebührenerhöhung für ARD und ZDF, ein paar Intendanten meckern zurück, dann ist Ruhe im Land und die Erhöhung beschlossen. Doch am Ende der Woche war die Aufregung noch immer da. Und schuld daran waren just die, die sich selbst, den Länderchefs und der Öffentlichkeit eine Debatte über Sinn und Programmzweck von ARD und ZDF ausreden wollen: die öffentlich-rechtlichen Heroen. Im ersten Programm startete am Freitag „Bunte TV“, der TV-Ableger des Zentralorgans für Klatsch. Die Talkshow von „Johannes B. Kerner“ im ZDF hatte vier Mal denselben Gast, den früheren Tennisspieler Boris Becker. Eine derart massive „Boulevardisierung“ des öffentlich-rechtlichen Fernsehens bleibt nicht verborgen. Kardinal Karl Lehmann nannte die ZDF-Promotion für das Becker-Buch „unangemessen“, an der Wähltden-größten-Deutschen-Show „Unsere Besten“ kritisierte er den „Starkult“.

Das Schlagwort von der „Boulevardisierung“ reflektiert die Verzweiflung über das öffentlich-rechtliche Programm-Parallelogramm, das die Kräfte von Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung ausbalancieren soll. Dieses Gleichgewicht ist empfindlich gestört: Am Samstag stehen acht Stunden Fußball gegen acht Minuten „Brennpunkt “ zum Bombenterror in Istanbul.

Schon auf einen Hauch von Kritik reagieren die Öffentlich-Rechtlichen angstbesessen. Der ARD-Vorsitzende Jobst Plog sieht eine „veröffentliche Meinung“ Übles wollen, und er beklagt, die Anstalten würden von der Politik als „Sündenböcke“ verunglimpft. Die RBB-Intendantin Dagmar Reim lässt schneller Gegendarstellungen und Anträge auf Rügen beim Presserat formulieren, als dass sie öffentlich zwingende Argumente vorbringt, warum ein Kulturradio besser ist als zwei, warum ein Kulturmagazin im RBB-Fernsehen zu nachtschlafener Zeit die Sache von Kunst und Kultur stärker befördert als zwei Kultursendungen in den einschaltstarken Phasen des Programmabends.

Irgendjemand muss Plog & Co. eingeblasen haben, dass die gebührengestützte Existenz von ARD und ZDF nur mit enorm hohen Quoten gerechtfertigt und gewährleistet sei – voller Panik wurden die Programme den Beckmanns, Pilawas und Kerners zur weiteren Verwendung, vulgo Boulevardisierung, überlassen. Von diesem Wahn müssen die Programm-Verantwortlichen befreit werden. Wenn das weder die veröffentlichte Meinung (böse!) noch die Politik (superböse!) schafft, schafft das vielleicht das Publikum. Am Freitag ist die ARD für „Bunte TV“ regelrecht abgewatscht worden. Jedes andere als dieses Boulevard-Format wäre bei 1,47 Millionen Zuschauer schon wieder eingestellt worden.

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