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Meinung: … China

Harald Maass

Wenn Chinesen beim Einkaufen einen großen Koffer dabei haben, dürfen sich die Verkäufer meist auf gute Geschäfte freuen. Die Koffer sind voll mit Hundert-Yuan-Scheinen. Vom bargeldlosen Zahlungsverkehr hält man in diesem Land nicht viel, auch wenn das für wohlhabende Chinesen viel Kofferschlepperei bedeutet. China ist im Luxusrausch. Deutsche Limousinen, italienische Designermode oder französische Edelweine: Das Reich der Mitte ist ein Eldorado westlicher Luxusmarken geworden. Je teurer, desto lieber. Am Bund, Shanghais Nobelmeile, eröffnete vor kurzem das „Evian Spa“. Das Wasser für die sündhaft teuren Gesichtsmassagen wird in kleinen Fläschchen aus Frankreich importiert. Als Lamborghini diese Woche seine Sportwagen auf der Automesse in Peking vorstellte, wollten mehrere Chinesen die Nobelkarossen vom Stand weg kaufen. In Peking und Shanghai sieht man heute mehr Audis und BMWs als in mancher deutschen Stadt.

Menschlich ist der neue Hang zum Luxus verständlich. Noch vor zwanzig Jahren war eine Waschschüssel aus Emaille der einzige Besitz eines Chinesen. Wer Glück hatte, durfte ein Fahrrad der Marke „Fliegende Taube“ fahren. Mittlerweile fragt man jedoch in China, ob der rasende Konsum gut für das Land ist. Regierungschef Wen Jiabao warnte kürzlich erstmals vor einer Überhitzung der Wirtschaft. Weil Millionen Chinesen zum ersten Mal im Leben eine Wohnung kaufen, sind die Immobilienpreise in Peking schon so hoch wie in Berlin. In boomenden Küstenstädten wie Hangzhou fällt im Sommer regelmäßig der Strom aus. Die vielen neuen Klimaanlagen überlasten das Netz. Weiter südlich, in Guangdong, müssen Tankstellen mitunter das Benzin rationieren – zu viele neue Autobesitzer.

Das Shopping geht derweil munter weiter. Hongkong ist zu einem riesigen Kaufhaus für Reisegruppen aus China geworden. Wohlhabende Chinesen jetten zu Einkaufstouren nach Europa und Amerika. Wie sie sich das leisten können? Die Wirtschaft boomt. Nach zwei Jahrzehnten Öffnung ist die Volksrepublik heute ein Paradies für Unternehmer. Die Löhne sind niedrig, Gewerkschaften verboten, kaum jemand zahlt Steuern. Chinas neue Kapitalisten sind die Oberschicht. Dazu kommen korrupte Kader, die sich in den vergangenen Jahren ganze Staatsbetriebe unter den Nagel gerissen haben. In diesen Kreisen kann man mal eben 60 000 Euro für einen neuen 5er BMW hinlegen. Viele Durchschnittschinesen dagegen überschulden sich. Die Zeitungen haben bereits einen Namen für sie gefunden: „Fu Weng“ – die „Minus Reichen“.

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