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Ursula Weidenfeld ist freie Publizistin. Die Ökonomin war Chefredakteurin der Zeitschrift "Impulse" sowie stellvertretende Chefredakteurin und Chefin des Wirtschaftsressorts des Tagesspiegels.

© Mike Wolff

Ein Zwischenruf zur …: … Kinderarmut

In der Großstadt ist es relativ leicht, arm zu sein. Vor allem dann, wenn man mehrere Kinder hat. Doch die beste Hilfe für bedürftige Familien sind nicht noch mehr Krippenplätze, sondern mehr Jobs.

Immer weniger Kinder in Deutschland sind von Hartz IV abhängig. Nur Berlin kommt bei dieser Entwicklung nicht mit. Hier brauchen noch immer fast genauso viele Kinder Hartz IV wie im Jahr 2006. Das hat viel damit zu tun, dass in Berlin zwar neue Krippenplätze entstehen, aber nur wenige neue Arbeitsplätze für die Eltern dieser Kinder. Es würde sich lohnen, die politische Energie des Landes Berlin zur Abwechslung einmal in der Wirtschaftspolitik zu konzentrieren, statt nach immer neuen Betreuungs- und Bildungsmöglichkeiten zu fahnden.

Es hat auch damit zu tun, dass nach Berlin nicht nur Studenten und Hochqualifizierte ziehen, sondern dass es auch einen deutlichen Zuzug von Bedürftigen gibt. In der Großstadt ist es leichter, arm zu sein. Vor allem dann, wenn man mehrere Kinder hat. Es gibt nach wie vor ein großes Angebot an bezahlbaren Wohnungen, die Lebenshaltungskosten sind niedriger als in den Mittelstädten, es gibt einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr. Und: Bei sinkender Arbeitslosigkeit wächst in den westdeutschen Kommunen der Druck von der Arbeitsagentur. Dafür ist es in der Hauptstadt zu voll und zu arm. Hier sind die Arbeitsagenturen bei magerem Stellenangebot noch vollauf damit beschäftigt, Jobs für die leicht Vermittelbaren zu finden. Die komplizierten Fälle hebt man sich für später auf.

Für die Mütter ist das auf der einen Seite nicht so schlimm. Berufstätige Alleinerziehende müssen Kinder, Haushalt und die Organisation der Betreuung alleine stemmen. Die Erwerbsarbeit kommt noch oben drauf. Für viele ist es eine Erleichterung, wenn das Sozialamt wenigstens einen Teil der finanziellen Lasten des Familienlebens schultert.

Für die Entwicklung der Kinder aber ist die Botschaft genauso fatal wie für Berlin selbst. Die Kinder werden es schwer haben, sich aus eigener Kraft aus Abhängigkeit und Armut zu befreien. Noch schwerer aber wird es den Regierenden (und Regierten) in Berlin fallen, zu lernen, dass die beste Hilfe für bedürftige Familien nicht noch mehr Krippenplätze sind, sondern mehr Jobs. Für Berlins Haushalt und Wirtschaft gilt dasselbe: Wenn die Stadt irgendwann einmal das Steuergeld einnehmen will, das sie verbraucht, darf sie sich nicht aufs Geldausgeben beschränken. Die Stadt muss zu einem Platz werden, an dem nicht nur gelebt, sondern auch gearbeitet wird.

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