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Darüber spricht ganz …: … Kroatien

Thomas Roser über das Wirtshaus Kalin, durch das demnächst die Schengen-Grenze verläuft

Große Ereignisse im Nachbarland werfen eher verhängnisvolle Schatten voraus. Eifrig rüstet der EU-Musterknabe Slowenien für den bevorstehenden Beitritt zum Schengen-Abkommen seine Grenze auf. Weil Ljubljana mit Zagreb aber schon seit Jahren im Dauerclinch über den Verlauf dieser Grenze liegt, wird das Treiben von dem kroatischen EU-Anwärter misstrauisch beäugt. Jede Änderung der Einreisebestimmungen drohe in Kroatien die EU-Skepsis zu vergrößern, heißt es. Die Vorbehalte seien schon jetzt sehr groß – und eine Gefahr für Kroatiens EU-Beitritt.

Ungewöhnlich einig mühen sich die sonst so streitbaren Partner der sensiblen Nachbarschaftsehe denn auch darum, die Auswirkungen des neuen Grenzregimes zu begrenzen. Dank einer von Brüssel widerwillig abgesegneten Ausnahmeregelung sollen Kroaten wie bisher mit ihrem Personalausweis nach Slowenien reisen dürfen: Den für die Reise ins Schengen-Reich eigentlich nötigen Einreisevermerk bekommen sie unbürokratisch auf ein Formular gestempelt. Viele Kroaten pendelten zur Arbeit über die Grenze, erklärt Sloweniens Innenminister die Prozedur auch mit praktischen Gründen: Müssten sie den Pass immer abstempeln, wäre alle drei Monate ein neuer fällig.

Doch Missmut über die jahrhundertelang nie existierende Grenze zwischen den erst seit 1991 unabhängigen Staaten ist auch im künftigen Schengen-Land Slowenien zu verspüren. Im Traditionslokal Kalin im Grenzort Obrezje zieht zwar ungestört der Duft von Rehbraten über die Staatengrenze. Doch Freude über die vermeintliche Wirtshausattraktion kommt bei der ernüchterten Kellnerin keine auf. Dort sei Kroatien, weist sie müde in die Hinterstube, der Rest des Restaurants liege in Slowenien. Seit 1991 die Grenze den 150 Jahren alten Gasthof teilte, schreckten die vielen Alkoholkontrollen im Grenzgebiet die Gäste ab: Das Kalin habe jede Menge Kunden verloren.

Keine Wende zum Besseren erwarten die Betreiber des geteilten Wirtshauses auch durch das neue Schengen-Zeitalter. Als Slowenien im Sommer das Rauchverbot in Gaststätten einführte, hatten die Wirtsleute zunächst angenommen, dass die schmauchenden Gäste zumindest in der kroatischen Stube weiter dem blauen Dunst frönen könnten. Doch diese Hoffnung sollte sich bald zerschlagen. Weil der Eingang in Slowenien liege, müssten dort auch Steuern entrichtet und dessen Verordnungen befolgt werden, berichtet seufzend die Kellnerin: Die Grenze sei und bleibe „eine Katastrophe“.

Thomas Roser

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