zum Hauptinhalt

Pakistan: Abschied vom netten Diktator

Es ist ein rein politisches Verfahren, von dem fast jeder hofft, dass Musharraf es durch einen freiwilligen Rücktritt abkürzen wird: Pakistans Regierung will den Staatschef loswerden – ein Ablenkungsmanöver.

Fast zehn Jahre hat Pervez Musharraf die Atommacht Pakistan geführt, und irgendwann hat der Präsident und Ex-General darüber sein Gespür verloren, wann es Zeit ist, zu kämpfen, und wann, den Rückzug anzutreten. Er ist dem Sog der Macht erlegen, dem Gefühl, selbst unentbehrlich zu sein, gepaart mit der Angst vor Verlust von Privilegien und Sicherheit.

Dabei hatte Musharraf 1999 mit seinem Putsch gegen den korrupten Nawaz Sharif seine Landsleute sogar begeistert. Unter ihm expandierte die Wirtschaft; die Presse wurde frei und selbstbewusst wie nie zuvor. Doch nach Jahren an der Macht glaubten die Menschen dem freundlichen Diktator nicht mehr, er würde sie zurück zur Demokratie führen. Das hat er selbst nicht mehr gesehen. Mit dem vor über einem Jahr gestarteten Kreuzzug gegen die unabhängige Justiz begann der tiefe Absturz in der Zuneigung seiner Landsleute. Der Rücktritt als Armeechef und die unerwartet fairen Wahlen im Februar haben daran nichts mehr geändert. Im Gegenteil, Musharraf droht das erste Amtsenthebungsverfahren in der Geschichte Pakistans.

Es ist ein rein politisches Verfahren, von dem fast jeder hofft, dass Musharraf es durch einen freiwilligen Rücktritt abkürzen wird. Die Initiatoren, die Chefs der zwei großen Regierungsparteien, würden selbst eine Anklage kaum heil überstehen. Der Ehemann der ermordeten Benazir Bhutto, Asia Ali Zardari, ist nur dank einer von Musharraf initiierten Amnestie nach Pakistan zurückgekehrt, ohne direkt ins Gefängnis zu wandern; der auf Rache drängende Sharif ist während seiner Zeit als Premier vor allem zum reichsten Mann des Landes geworden. Das Impeachment dient ihnen auch als Ablenkungsmanöver von den Schwächen ihrer eigenen Regierung, von steigender Inflation, von schwächelnder Wirtschaft und teuren Lebensmitteln, sowie der Unfähigkeit, den militanten Islamisten Einhalt zu gebieten.

Auch weil die Nato mit Blick auf Afghanistan sehr an einem stabilen Pakistan interessiert ist – und niemand weiß, was dort in den kommenden Tagen passieren wird – ist das alles andere als beruhigend. Musharraf könnte zurücktreten, er könnte sich verteidigen – vor Richtern, die er selbst eingesetzt hat – oder er könnte darauf setzen, dass die Regierung die notwendige Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern des Parlaments gar nicht zusammenbekommt. Dass er Neuwahlen ausruft, ist unwahrscheinlich, da er dafür die Unterstützung der Armee bräuchte. Der oberste Militär Kiani will sich aber offenbar aus der Politik heraushalten.

Das sollten auch Islamabads Freunde tun. US-Präsident George W. Bush hat seinen Verbündeten Musharraf offenbar schon abgeschrieben, was für diesen schmerzlich, für Pakistans Entwicklung aber nur gut ist. Dessen politisches Vakuum liegt nicht am Mangel an Führungspersonal, sondern an zu vielen konkurrierenden Machtfiguren. Und obwohl Musharraf international ein beliebter Partner war – die meisten Pakistaner wollen ihn nicht mehr. Es wäre ihnen zu wünschen, dass sich die Regierung bald um die wirklich großen Probleme im Land kümmert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false