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AFGHANISTAN: Als Besatzer taugen wir nicht

Afghanistans Präsident Karsai brüskiert die von ihm gerufenen ausländischen Truppen - sollen sie bleiben?

Falsch ausgerüstet, schlecht ausgebildet, von der Heimat nicht beachtet – das sind nur drei der Etiketten, mit denen der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan nun, nach Jahren des Sich-selbst-Belügens, bewertet wird. Keines dieser brutal offenen Urteile trifft die Soldaten selbst. Jedes richtet sich gegen die politische Führung in Berlin. Als wäre das nicht schon Belastung genug, kommt nun eine weitere Bedrohung für die Bundeswehr hinzu, und die ist dramatischer als alle anderen.

Der afghanische Präsident Hamid Karsai signalisiert den Taliban Bereitschaft zum Paktieren. Er billigt ihnen unter Umständen den Status einer legitimen Widerstandsbewegung zu, will einer geplanten Nato-Offensive gegen die Aufständischen die Unterstützung verweigern, wenn sich die Stammesältesten dagegen aussprechen, und beschuldigt westliche Staaten, allen voran die USA, der Wahlmanipulation zu seinen Lasten.

Die Anwesenheit westlicher Truppen in Afghanistan basiert auf dem Willen der afghanischen Führung. Die Nato-Streitkräfte sollten jene Taliban besiegen, die aus dem Land ein nach unseren zivilisatorischen Maßstäben mittelalterliches Land ohne freie Wahlen und gleiche Rechte für Mädchen und Frauen gemacht hatten. Das jedenfalls war der Zustand, auf den die alliierten Truppen stießen, nachdem sie von Karsai gerufen worden waren.

Es hatte nie einen Zweifel daran gegeben, dass die einzige Legitimation dieses militärischen Einsatzes in einem fremden Land in dem Wunsch der politischen Führung Afghanistans wurzelte, die Taliban besiegt sehen zu wollen.

Karsai hat sich in der Vergangenheit weder als Demokrat noch als Anhänger einer Regierungswirklichkeit der „Good Governance“, der Unbestechlichkeit und Gleichberechtigung aller also, erwiesen. Vetternwirtschaft und Bereicherung sind alte Vorwürfe gegen ihn. Seine Wiederwahl wurde von massiven Betrugsvorwürfen belastet. Aber er war der einzige Partner, den der Westen finden konnte. In Washington, London, Paris und Berlin hielt man nur ihn für fähig, die einstigen feudalen Befehlshaber der Regionen, die Warlords, und irgendwie auch die Taliban in ein das Land stabilisierendes Beziehungsgeflecht einzubinden.

Wenn sich nun zeigt, dass Karsai seine eigenen Verbündeten gegen die afghanische Bevölkerung ausspielt, weil er an einen Sieg nicht mehr glaubt, wenn er sie als ausländische Besatzungsmacht darstellt, weil er seine Haut retten möchte, kann es nur eine Reaktion geben: Afghanistan verlassen.

In nicht einmal zwei Wochen wird der Oberkommandierende der Isaf-Truppen in Afghanistan, General Stanley McChrystal, in Berlin sein. Diese Reise schließt unmittelbar an den Amerikabesuch der Bundeskanzlerin an. Einen isolierten Abzug einzelner Kontingente kann es nicht geben. Aber beim Treffen von Angela Merkel und Barack Obama wird dieses Thema ganz oben stehen: Wann und wie verlassen unsere Truppen Afghanistan, wenn wir dort nicht mehr erwünscht sind?

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