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Meinung: Afghanistan: Politik der Einmischung

Experimente haben es an sich, dass ihr Ausgang nur begrenzt vorhersagbar ist. In diesem Sinne ist die Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn ein Experiment, und eines mit ganz besonders offenem Ende obendrein.

Experimente haben es an sich, dass ihr Ausgang nur begrenzt vorhersagbar ist. In diesem Sinne ist die Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn ein Experiment, und eines mit ganz besonders offenem Ende obendrein. Das liegt in der Natur der Sache. Nicht genug, dass Afghanistan seit zwei Jahrzehnten von Krieg, Terror und Interventionen der Nachbarn geplagt wird, ein Turnierplatz für Stellvertreterkriege. Nicht genug, dass selbst in Zeiten, in denen in Kabul eine Zentralmacht residierte, lokale Kriegs- und Stammesfürsten ihren Einfluss behielten. Zu alledem kommt ein neuer Krieg, dessen Ausgang klar ist, was das Schicksal der Taliban angeht, aber offen mit Blick auf die Neuverteilung der Macht- und Einflusssphären.

Zum Thema Online Spezial: Kampf gegen Terror Afghanistan: Wege jenseits der Bomben Bundeswehr-Einsatz: Deutschland und der Krieg Fotostrecke: Krieg in Afghanistan Schwer genug, in dieser akuten Umbruch-Situation Vertreter auch nur der wichtigeren Gruppen an einen Tisch zu bekommen. Gut möglich, dass der größte Erfolg dieser Konferenz am Ende in ihrem Zustandekommen besteht. Selbst im besten denkbaren Fall bildet sie nur den Anfang eines politischen Prozesses, der im wiederum besten Fall zu einem vorläufig stabilen Balancezustand am Hindukusch führt. Ein Experiment ist die Konferenz aber nicht minder für den Gastgeber. Deutschland ist zwar - das Bild passt hier mal im Wortsinne - auf dem Petersberg nur der Kellner. Gekocht wird von den afghanischen Unterhändlern, Gastherr sind die Vereinten Nationen. Aber es ist ein Unterschied, ob ein kleines neutrales Land ein Berghotel zur Verfügung stellt oder eine europäische Mittelmacht, die, wenn auch nur am Rande, in den Konflikt selbst verwickelt ist. Wer so handelt, begibt sich in Mitverantwortung.

Diese Rolle ist für die Deutschen nicht völlig neu. Siehe die Kosovo-Konferenz am gleichen Ort. Trotzdem ist das Afghanistan-Treffen wieder ein Schritt weiter. Die Bundesrepublik schaltet sich in einen Konflikt ein, der weitab ihrer geographischen und politischen Interessen liegt. Auch mit der Allianz gegen den Terror hat das Engagement für die Nach Taliban-Ära nur noch wenig zu tun. Es steht vielmehr für eine Außenpolitik, die sich als Innenpolitik in der Einen Welt versteht. Und die dieses Feld nicht der letzten Weltmacht USA überlässt, sondern Arbeitsteilung anbietet.

Solche Mitverantwortung hat Folgen. Sie geht nicht so weit, dass ein Scheitern der Bundesregierung angelastet, ein Erfolg auf ihr Konto gebucht werden könnte. Königswinter ist nicht Camp David, Joschka Fischer nicht Außenminister einer Supermacht, die widerspenstige Verhandlungspartner unter Druck setzen kann. Aber die Verantwortung endet auch nicht damit, genügend grünen Tee auf den Petersberg zu schaffen. Durch ihr Mitwirken begibt sich die Bundesregierung in die Pflicht, auch den weiteren Prozess nach besten Kräften zu unterstützen - egal ob Erfolg oder Fehlschlag.

Diese Unterstützung wird nicht nur in guten Worten bestehen. Gefragt ist Geld, gefragt sein könnten Soldaten. Geld, um das zerstörte Land - nein, noch gar nicht aufzubauen, sondern erst einmal seine Menschen am Leben zu erhalten. Soldaten, um die humanitären Hilfstransporte zu erleichtern und abzusichern. Soldaten möglicherweise darüber hinaus, um eine politische Lösung zu flankieren. Wohlgemerkt: Ob solche Schutztruppen notwendig werden, ob sich die internationale Gemeinschaft darauf verständigen kann und will, all das sind völlig offene Fragen. Nicht offen ist aber die Antwort, die die Bundesrepublik geben müsste, sobald sie um Mithilfe gebeten würde. Die Antwort kann nur Ja lauten. Denn es geht um eine Vertrauensfrage, sogar um eine doppelte - eine des Vertrauens der anderen Staaten in die Deutschen (und die Europäer), und eine des deutschen Selbstvertrauens.

Der Kanzler wie der Außenminister hätten nach dem Voten ihrer Parteitage die Chance, eine solche Politik der Einmischung offen zu vertreten. Das hätte den Vorzug, dass sich danach nüchterner über die Grenzen des Engagements reden ließe. Die Europäer schaffen es mit Hilfe der USA im nahen Kosovo mühsam, ein Protektorat aufrecht zu erhalten. Im fernen Afghanistan geht das nicht. Auch dies gehört zur Verantwortung: Jeder kann, ja darf nur so viel übernehmen, wie er auch tragen kann. Darin liegt die Grenze für Experimente.

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