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Afghanistaneinsatz: Die Stille vor dem Schuss

Wer Soldaten nach Afghanistan entsendet, rechnet mit Kampf. Und er rechnet mit Verwundeten und Toten. Diese unangenehme Wahrheit muss jetzt ausgesprochen werden, meint Robert Birnbaum.

Beim Militär wie in der Politik ist die Neigung zum gelinden Euphemismus offenbar nicht auszurotten. „Schnelle Eingreiftruppe“ klingt nach Feuerwehr. Aber die 250 Mann, die die Bundeswehr ab dem Sommer in Nordafghanistan stationieren wird, haben einen weitaus weniger menschenfreundlichen Auftrag. Sie sollen kämpfen. Und anders als bei all den anderen gut 3300 deutschen Soldaten am Hindukusch ist das für diese Truppe nicht nur eine theoretische Möglichkeit. Es ist noch kein halbes Jahr her, da sind ihre Vorgänger aus Norwegen in einen regelrechten Kampf gegen Taliban gezogen, die vom Westen her in die von Deutschland kommandierte Nordregion einsickern wollten. An der Gegenoffensive waren auch Deutsche beteiligt, allerdings damals noch außer Reichweite feindlichen Feuers. Ab dem Sommer kann das sehr schnell anders werden.

Daran gibt es nichts zu kritisieren. Die Verantwortlichen in Berlin – die in der Regierung wie die im Parlament – haben immer gewusst, dass der Einsatz gefährlich ist, und das nicht nur wegen der Bedrohung durch Anschläge. Wer Soldaten entsendet, rechnet mit Kampf. Wer mit Kampf rechnet, rechnet mit Verwundeten und Toten. Laut und deutlich gesagt hat das selten mal einer, wohl wissend, wie groß die Zweifel in der Bevölkerung daran sind, dass Deutschland wirklich am Hindukusch verteidigt werden muss.

Umso wichtiger ist es, diese unangenehmen Wahrheiten jetzt deutlich auszusprechen – und nicht erst, wenn die Eingreiftruppe eingreifen muss. Nur wer ungeschminkt über dieses neue deutsche Engagement redet, darf Anspruch darauf erheben, dass der gesamte Einsatz ebenso nüchtern debattiert wird. Wer die Debatte erst eröffnet, wenn – mit den drastischen Worten des Bundeswehr-Verbandschefs Gertz – die ersten Deutschen „in Holzkisten“ nach Hause zurückkehren, hat sie schon verloren. Ob alle das begriffen haben? Richtig sicher kann man nicht sein. Eigentlich müsste die Regierung den Bundestag bitten, das Afghanistanmandat personell aufzustocken. Die 250 Mann zusätzlich gehen dicht an die Obergrenze. Aber vor einer neuen Abstimmung im Bundestag scheuen sich die Regierenden dann doch.

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