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Meinung: Am Glauben fehlt es nicht

Sechs Jahre an der Macht und kein bisschen schlauer: Bushs verfehlte Außenpolitik

Amerikas Präsident, der zurzeit auf seiner Ranch in Texas Urlaub macht – nur neun Tage, so kurz wie noch nie –, sollte den kubanischen Diktator in seine Gebete einschließen. Wenn jetzt auch noch Fidel Castro endgültig die Zigarre abgibt, haben die USA ein weiteres außenpolitisches Problem. Diesmal direkt vor der Haustür. Aber was macht das für einen Unterschied: Die Bush-Regierung ist mit dem Irrglauben geschlagen, man könne die Konflikte dieser Welt auf die altmodische Art des guten Imperialisten lösen, mit Waffengewalt und anhängendem Demokratieversprechen. Zum letzten Mal hat das im Zweiten Weltkrieg funktioniert. Und auch noch im Kalten Krieg erwiesen sich abschreckende Atomwaffen, unüberwindliche Wirtschaftsmacht und die Attraktivität des westlichen Gesellschaftssystems – in dieser Kombination! – als unschlagbar.

Tempi passati. Washingtons Außenpolitik seit dem 11. September 2001 ist eine immer längere Geschichte von Fehlschlägen, gezielten Fehlinformationen und teilweise selbst gemachten Katastrophen. Mit der Invasion und Besetzung des Iraks wurde der Nachbar Iran aufgebaut, jenes Regime, das die Hisbollah so stark macht, wie man es jetzt erleben muss. In Bagdad herrscht Bürgerkrieg, doch die Schreibtischstrategen der Bush-Regierung spielen die Warnungen ihrer eigenen Generäle herunter. In Afghanistan, wo der „Krieg gegen den Terror“ einst so trügerisch erfolgreich begann, bomben sich die Taliban wieder zurück – und die USA reduzieren ihr Engagement. Im Libanon zerstört das israelische Militär die Infrastruktur des gesamten Landes, ohne dass Bush und seine Außenministerin Rice auch nur versuchten, dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Die USA liefern gleichzeitig Waffen nach Israel und Hilfsgüter in die Levante – hilfloser schien die Supermacht nie, in deren lateinamerikanischem Hinterhof (Venezuela!) Castros revolutionäre Ideen wachsen und gedeihen.

Dem „Krieg gegen den Terror“ – der so viel neuen Terror produziert hat und weiter produziert – folgte ein „reign of error“, eine Herrschaft von Irrtümern und Lügen, schreibt Paul Krugman in der „New York Times“. Dort wurde letzte Woche eine Meinungsumfrage veröffentlicht, wonach die amerikanische Gesellschaft wegen des Irakkriegs tiefer gespalten ist als zu Zeiten des Vietnamkriegs.

Das könnte man als ein Zeichen des Fortschritts und der wachsenden Erkenntnis deuten, gäbe es nicht auch diese Zahlen: 50 Prozent der Amerikaner glauben laut einer anderen Umfrage jetzt wieder, dass Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen hatte. Und noch mehr sind erneut davon überzeugt, Saddam habe Verbindungen zu Al Qaida gehabt. Der Glaube ist stärker als Fakten, und die Geschichtsschreibung der Bush-Krieger erweist sich als zählebig und äußerst erfolgreich – jedenfalls im eigenen Land.

Das dämpft die Erwartungen an jeden künftigen Präsidenten, ob demokratisch oder republikanisch, ob Mann oder Frau. Denn George W. Bush hat die USA nachhaltig verändert, oder man könnte auch sagen: Er ist der Präsidentendarsteller, der dem amerikanischen Riesenreich in seiner nicht mehr so splendiden Isolation durchaus entspricht. Sein öffentlich gern zur Schau gestellter Glaube versetzt nicht Berge, sondern die Welt in Angst und Schrecken.

Rüdiger Schaper

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