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Meinung: Ampel nimmer, Jamaika immer

Nur ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen beendet den Stillstand Von Jürgen Dittberner

Es läuft nicht rund in der großen Koalition. Unter der Eile, den Kanzlerposten zu besetzen, hat die Union vergessen, Perspektiven für das „Danach“ zu bedenken. Und die SPD ist in dieses Bündnis gestolpert, weil sie es mit der Weisheit eines ihrer vielen Übergangsvorsitzenden hielt: „Opposition ist Mist.“

Wo sind die Alternativen?

In den Medien war zu lesen, dass die sozialliberale Zeit eine große gewesen sei mit Willy Brandt und Walter Scheel, Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher. Doch die Koalition von 1969 hatte ein einendes Thema, die Ostpolitik. Auch die innere Demokratisierung stand auf dem Programm: „Mehr Demokratie wagen“. Was aber wäre das Ziel eines SPD/FDP-Bündnisses 2007 oder später? Nur Posten in Berlin zu besetzen, dürfte nicht ausreichen. Sollte sich die SPD zu einer neoliberalen Partei wandeln? Seit dem Wahlkampf 2005 mit dem Thema soziale Gerechtigkeit und dem Abgang von Gerhard Schröder ist das unwahrscheinlich. Und solange Guido Westerwelle das Sagen hat, wird die FDP keine Partei des sozialen Liberalismus werden. Die Neuauflage der sozialliberalen Koalition wird in dieser Ära nicht kommen, weil SPD und FDP keine Basis für eine gemeinsame Politik finden. Und die „Ampel“? Rot und Grün sind frisch geschieden und können schon deswegen nicht zueinander finden. Als Katalysator wäre die FDP fehl am Platze.

Eigentlich braucht die SPD ohnehin nach acht plus x Jahren eine Regeneration in der Opposition. Diese ist nämlich gar nicht Mist. Sowohl die SPD als auch die Union haben sich jeweils in der Opposition erholt und dann die Macht gewonnen – die Union 1969 bis 1982 während der sozialliberalen Zeit und die SPD 1982 bis 1998 in der „Ära Kohl“.

Aber welche Perspektive hat die Union? Sie braucht Strategien für die Zeit nach der großen Koalition. Auf die FDP und die Grünen jeweils alleine wird die Union sich nicht stützen können: Eventuell auf beide? Die Grünen und die FDP sind trotz allem Wortgeklingel einander näher gekommen. Beide sind „bürgerliche“ Parteien; für beide sind die Grundrechte wichtig, die Bildung, die Kultur und die Marktwirtschaft. Der Etatismus der Grünen ist im Schwinden, und die FDP sieht mehr und mehr ein, dass es Kernbereiche gibt, die der Staat hüten muss. Aus beiden kleinen Parteien ließe sich eine moderne liberale Bürgergesellschaft definieren, eine denkbare Leitlinie für die Union, welche die soziale Marktwirtschaft Ludwig Erhards zu einer sozial verantwortlichen Bürgergesellschaft fortentwickeln könnte.

Das Dreierbündnis wäre ein Neuanfang. Viele Fragen – wie Auslandseinsätze der Bundeswehr und die Ausländerpolitik – müssten überdacht werden, und alle drei Parteien müssten sich programmatisch erheblich erneuern.

Zugegeben: Ein solches Bündnis hat etwas von einem letzten Strohhalm. Aber was bleibt übrig, als diesen zu ergreifen – so wie Angela Merkel Gerhard Schröders „Sie können es nicht“ zum Trotz nach dem Kanzleramt griff?

Die Linkspartei kommt vorerst als Regierungspartei nicht infrage, die Rechten sowieso nicht. Die SPD bedarf der Regeneration. Die Union schafft den Wechsel alleine mit der FDP weder elektoral noch programmatisch. Die Wahl 2005 hat gezeigt, dass eine neoliberale Politik vom Volk nicht gewollt ist.

Somit wird „Jamaika“ mittelfristig eine Option.

Eine Option, mehr nicht. Aber diese sollte wenigstens ausprobiert werden. Kann das politisch, organisatorisch und menschlich überhaupt funktionieren? Auch bei Rot-Grün wurde getestet – alle kennen das Bild vom grünen Turnschuhminister in Hessen. Die untere Ebene ging der höheren voran. So gesehen wäre es aufschlussreich, „Jamaika“-Koalitionen hier und da in den Kommunen zu beobachten, später in einem Bundesland. Im Erfolgsfalle – wenn diese Konstellationen tatsächlich Innovationen schaffen – könnte der Zusammenschluss für die Bundespolitik interessant werden.

Der Autor lehrt Politikwissenschaft in Potsdam und ist FDP-Mitglied.

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