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Meinung: Arbeitsamt: Nur keinen Staub aufwirbeln...

Warum hätte Bernhard Jagoda zurücktreten sollen? Weil er das Gebot missachtete, mit dem Geld anderer ordnungsgemäß umzugehen?

Warum hätte Bernhard Jagoda zurücktreten sollen? Weil er das Gebot missachtete, mit dem Geld anderer ordnungsgemäß umzugehen? Schließlich verwaltet seine Behörde die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für alle deutschen Arbeitnehmer und Unternehmen. Oder aus Gründen des Anstands? Mehr als vier Millionen Menschen, die in Deutschland oft jahrelang vergeblich einen Arbeitsplatz suchen, sind auf die Kompetenz der Bundesanstalt für Arbeit angewiesen. Zumindest sie dürfen klare Konsequenzen erwarten, wenn die Revisoren der Nürnberger Behörde und der Bundesrechnungshof schwer wiegende Systemfehler in eben diesem Hause aufdecken.

Zum Thema Online Spezial: Die Arbeitsamts-Affäre Umfrage: Sollen Arbeitsämter privatisiert werden? Doch Bernhard Jagoda bleibt im Amt. Auch im nächsten Monat wieder wird er vor die Öffentlichkeit treten und mitteilen, wie groß die Zahl derer ist, die in Deutschland nicht selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Zu verdanken hat der Präsident der Bundesanstalt das allerdings nicht der lückenlosen Aufklärung der Vorwürfe. Es spräche ja für ihn, wenn Einzelne seiner rund 90 000 Mitarbeiter falsch gerechnet oder anderswie gefehlt hätten, der Skandal in Wahrheit nur ein Skandälchen gewesen wäre. Doch so ist es nicht. Die geschönten Vermittlungsstatistiken öffnen den Blick auf gravierende Unzulänglichkeiten bei der Bundesanstalt.

Dennoch bleibt Jagoda vom Rücktritt verschont. Weil er nicht verantwortlich gemacht werden kann, weil er nicht verantwortlich ist. Denn er ist Teil eines fein ausbalancierten Systems von Politikern, Gewerkschaftern und Arbeitgebern. Sie alle bilden seit Jahren ein sozialpartnerschaftliches Netz, das in Deutschland die Arbeitsverwaltung kollektiv trägt und in dem die Verantwortung Einzelner unbekannt ist. Zu erkennen, dass diese Dreifaltigkeit aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften Ursache für einen großen Teil der Fehlentwicklungen, der Lähmungen ist, die in der Bundesanstalt beklagt werden, das wäre die Aufgabe der Bundesregierung gewesen. Sie hätte jetzt, da das Desaster offenbar ist, die Courage für umfassende Reformen in der Arbeitsvermittlung aufbringen müssen. Denn, wie groß die Not ist, ahnt man, seit die Zahl der Langzeitarbeitslosen ohne Vermittlungschancen immer größer wird, seit Tausende Unternehmer Mitarbeiter am Arbeitsamt vorbei suchen, obwohl hier die Flure überfüllt sind und Qualifizierungs- wie Eingliederungsprogramme zuhauf angeboten werden.

Wenn die Bundesregierung ein ernsthaftes Interesse an Reformen hätte, dann würde sie die Nürnberger Behörde von unnötigem Ballast, wie der Auszahlung von Kindergeld befreien, darauf dringen, dass sich die Mitarbeiter weniger mit der Verwaltung ihrer selbst als mit der Vermittlung von Jobsuchenden beschäftigen. Und sie würde Grundlagen dafür schaffen, dass ein funktionierender Markt für die Personalvermittlung entsteht. Ein Markt, den es fast überall in Europa bereits gibt und der optimale Lösungen für alle schafft, die einen beachtlichen Teil ihres Einkommens in die Arbeitslosenversicherung zahlen und im Fall des Jobverlustes Hilfe suchen.

Doch so viel Mut hat die Bundesregierung nicht. Statt Reformen gibt es nur Reförmchen. Da muss man sich auch nicht kritisch auseinander setzen mit Gewerkschaften und Arbeitgebern. Den Streit scheut die SPD so kurz vor der Wahl. Gewiss, eine solche Auseinandersetzung sähe nicht vorteilhaft aus in der Wahlkampfmappe einer Regierung, die sich vor allem mit der Kompetenz bei der Lösung der Arbeitsmarktprobleme empfehlen will. Doch sie hätte den Weg frei gelegt für eine notwendige Veränderung. Auch für Bernhard Jagoda.

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