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Barbara John, Tagesspiegel-Kolumnistin und frühere Ausländer-Beauftragte des Berliner Senats.

© dpa

Asyl und Flüchtlinge: Ein Bleiberecht für alle ist falsch

Die Debatte um Flüchtlinge zeigt: In der Asylpolitik kann der Staat es keiner Interessengruppe recht machen. Wer ein Bleiberecht für alle fordert, der nimmt in Kauf, dass Menschhändler künftig über unsere Einwanderungspolitik bestimmen.

Flüchtlingscamps auf öffentlichen Plätzen in Deutschland, daran werden wir uns wohl gewöhnen müssen. Asylbewerber katapultieren sich demonstrativ ins Zentrum der Aufmerksamkeit, in Berlin (Oranienplatz), in Hamburg (Kirche St. Pauli), bis zur Räumung vor zwei Wochen auch in München (Rindermarkt). Warum? Weil sie in der direkten Begegnung mit Bürgern auf ihr Schicksal aufmerksam machen wollen, statt sich als Nummern durch die Asylmaschinerie schleusen zu lassen. Auf den Plätzen erzählen sie: Von ihren Familien in den Herkunftsländern ohne Zukunft, von der in Deutschland geltenden Pflicht zum Aufenthalt in bestimmten Verwaltungsbezirken, vor allem aber von der Angst vor Abschiebung. Hierbleiben wollen sie um fast jeden Preis, auch wenn sie nicht als Asylberechtigte anerkannt oder zumindest geduldet werden. Woran wir uns auch gewöhnen müssen, sind aggressive Proteste von Bürgern (wie in Hellersdorf), die alle Flüchtlinge wieder dahin zurückschicken wollen, woher sie kommen: in die Hoffnungslosigkeit, weil sie als Konkurrenten um Arbeit und staatliche Unterstützung gesehen werden.

Es ist eindeutig: In der Asylpolitik kann der Staat es keiner Interessengruppe recht machen. Für die einen tut er zu viel, für die anderen zu wenig. Er erntet Sturm von allen Seiten, weil er Humanität ins Grundgesetz geschrieben hat (Artikel 16a). Das bedeutet Dauerstreit. So muss es sein, denn die gesetzlich verbürgte Aufnahme von Bedrängten ist noch eine junge humanitäre Errungenschaft, die viele vermutlich erst dann akzeptieren werden, wenn sie selbst Schutz im Ausland suchen. Diese Innovation braucht entschiedene, aber besonnene Verteidiger. Dazu gehört nicht jener fitte Verhandlungsführer (Asylberechtigter aus dem Iran), der in München Flüchtlinge zum Trink- und Essstreik für ein bedingungsloses Bleiberecht bewegte. Dieser Mann ist kein Held. Er rettete niemanden; er spielte mit dem Leben anderer.

Wer fordert, Bleiberecht für alle, keine Abschiebung mehr, der nimmt in Kauf, dass Schlepper und Menschhändler künftig über unsere Einwanderungspolitik bestimmen.

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