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Meinung: Atemmasken nützen nichts In Deutschland ist die Sars-Gefahr nicht gebannt.

Von Alexander S. Kekulé WAS WISSEN SCHAFFT Die jetzt zugegebene Sars„Katastrophe“ in China ist keine wirkliche Überraschung – die Leser des Tagesspiegel erfuhren an dieser Stelle bereits davon, als es offiziell nur rund 200 Fälle weltweit gab.

Von Alexander S. Kekulé

WAS WISSEN SCHAFFT

Die jetzt zugegebene Sars„Katastrophe“ in China ist keine wirkliche Überraschung – die Leser des Tagesspiegel erfuhren an dieser Stelle bereits davon, als es offiziell nur rund 200 Fälle weltweit gab. Überraschend ist jedoch das Verbreitungsmuster der Seuche auf dem Rest des Planeten: Der anfangs befürchtete Flächenbrand ist ausgeblieben, die meisten Staaten verzeichnen keine oder nur wenige Infektionen. In Deutschland wurde gestern der siebte Fall gemeldet. Dafür hat es zwei Länder voll erwischt, die eigentlich über leistungsfähige Gesundheitssysteme verfügen: In Kanada sind 132 Menschen an Sars erkrankt und 12 gestorben, Singapur meldet 178 Kranke und 16 Tote. Die Sterberate ist in diesen Ländern mit rund 9 Prozent fast doppelt so hoch wie der globale Durchschnitt.

Der Grund dafür sind die „lokalen Infektionsketten“: Wenn sich das Virus erst im Land selbst ausbreitet, können die gefährlichen Infektionen nicht nur bei Rückkehrern aus den Risikogebieten und ihren Kontaktpersonen, sondern praktisch bei jedem auftreten. Da nicht jede normale Erkältung als Sars-Verdacht isoliert werden kann, ist die Epidemie dann selbst mit drastischen Maßnahmen nicht mehr aufzuhalten – in Kanada waren bisher rund 7000 Menschen in Quarantäne, Singapur isolierte allein am vergangenen Wochenende 2500 Angestellte eines Großmarktes.

Die Eindämmung lokaler Infektionsketten scheitert an drei Dingen: Erstens sind nicht alle Infektionswege bekannt. Wenn es tatsächlich auch Schmierinfektionen – über Hände, Toiletten und Türklinken – gibt, schützen die Atemmasken nicht. Zweitens ist nicht bekannt, ob Sars-Patienten auch ohne Symptome ansteckend sein können. Drittens erkennen die jetzt verfügbaren Labortests nicht alle Stadien der Sars-Infektion. Deshalb gibt es für die bisher von der Seuche verschonten Staaten nur eine Chance: Durch strenge Einreisekontrollen die Einschleppung des Virus verhindern, bis die Übertragungswege bekannt und sichere Tests verfügbar sind.

In Deutschland bestimmt der Zufall über das Ausmaß der medizinischen Kontrollen. Obwohl ein einziger unerkannter Sars-Überträger bereits die lokale Infektionskette auslösen kann, überlässt man die Gesundheitschecks bisher den Behörden im Abflugsland – ob und wie gründlich in Peking, Singapur oder Hanoi untersucht wird, kann durch die hiesigen Gesundheitsämter nicht kontrolliert werden. Das Robert-Koch-Institut hat immerhin ein Informationsblatt für Einreisende aus den Risikogebieten herausgegeben. Wer es bekommt, hängt allerdings von der Flugroute und dem angesteuerten Flughafen ab, da das Bundesinstitut keine Weisungsbefugnis für die Länder hat. In München können sich die Passagiere der wöchentlich 17 Linienflüge aus den Sars-Regionen in Pappkartons neben der Passkontrolle selbst bedienen – oder auch nicht. Eine wichtige Information fehlt auf den Flugblättern ohnehin: Dass unerkannt Infizierte in Krankenhäusern und Gemeinschaftseinrichtungen eine besondere Gefahr darstellen – zumindest dem hier beschäftigten Personenkreis sollte endlich eine Einreiseuntersuchung dringend empfohlen werden.

Der Autor ist Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie in Halle. Foto: J. Peyer

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